Die Schattenseiten der Goldenen 20-er

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Magda entschließt sich nach dem Tod ihres Mannes, ihre Heimat Hildesheim zu verlassen und eine Stelle als Polizeiärztin in der Roten Burg anzunehmen. 1920 war das eine Seltenheit. Bereits bei ihrer Ankunft lernt sie die Großstadt Berlin von ihrer unschönen Seite kennen: Ihr Koffer wird gestohlen und ihr bleibt nur noch, was sie am Leibe trägt. Kaum im Kommissariat angekommen, steht sie auch schon dem ersten Fall gegenüber. Eine Frau ist ermordet worden und ein Kind der einzige Zeuge. Je mehr die Ermittlungen hervorbringen, desto verstörender wird das Bild. Der Einblick in die tatsächlichen Zustände ist längst nicht überall so golden, wie die 20-er Jahre es gerne sein wollen.

Das Autorenduo Helene Sommerfeld beginnt mit diesem Band eine Reihe um Polizeiärztin Magda Fuchs. Zwei Jahre nach dem Ersten Weltkrieg beschreiben sie die Zustände zwischen der Kleinstadt Hildesheim und Berlin als krassen Gegensatz. Die dunklen Hinterhöfe der Metropole halten jede Menge Überraschungen für die Polizei bereit. Kurz nach dem großen Krieg wissen die Frauen um ihre Fähigkeiten, allein Entscheidungen zu treffen. Magda ist Witwe und somit gezwungen, für ihren Unterhalt zu sorgen. Mit der Fürsorgerin Ina will sie das Leid der Kinder in den Armenvierteln lindern. Anders dagegen geht es Celia, die von ihrem reichen Ehemann nur noch die Scheidung will. Zu Hilfe kommt ihr dabei die Rechtsanwältin Ruth. Erika ist als Reporterin immer auf der Jagd nach spannenden Geschichten. Als Frau muss sie doppelt so gut schreiben, um gedruckt zu werden. Keine der fünf würde sich allerdings so anbieten, wie es Doris Abend für Abend macht. So werden sechs Figuren beschrieben, die trotz aller Unterschiede ein gemeinsames Ziel haben. Sie wollen über ihr Leben selbst bestimmen.

Bildhafte Beschreibungen führen durch das Berlin der 20-er Jahre. Armut, Hunger, Prostitution und Kinderhandel sind an der Tagesordnung. Die gewaltbereite Gesellschaft leidet unter den Folgen des Großen Krieges. Die Veränderungen, die diese Jahre fast ohne männliche Bevölkerung gebracht haben, sind von den Kriegsheimkehrern nur schwer zu akzeptieren. Magda und die anderen Frauen kämpfen für ihre Rechte. Im Roman scheint das plausibel. Immerhin haben diese Frauen vor hundert Jahren unser heutiges Verständnis für Gleichberechtigung in die Wege geleitet. Das Erzähltempo ist angemessen, wenngleich man sich bei den vielen Personen erst zurechtfinden muss. Der Mordfall rückt manchmal in den Hintergrund, während sich die Gesellschaftsstudie aufdrängt. Die Kulisse der Etagenwohnungen in den dunklen Hinterhöfen ist bedrückend und erleichtert die Vorstellung, dass dort einige unentdeckte Verbrechen begangen wurden. Trotz der düsteren Stimmung sorgt aber auch eine Prise Romantik für Hoffnung.

Der Auftakt der Trilogie um Magda Fuchs im Berlin der 20-er Jahre lässt Einblicke in eine Zeit des Umbruchs zu. Nach dem Ersten Weltkrieg ist gleichermaßen die Erleichterung bei den Menschen wie auch die Not zu spüren. Die Polizeiärztin wagt den Schritt in die neue Zukunft und lernt interessante Frauen kennen, die ebenfalls einen Teil zur Veränderung beitragen. Der zweite Band um Polizeiärztin Magda „Das Leben ein großer Rausch“ und der dritte „Das Leben ein wilder Tanz“ sind bereits angekündigt.