Fordernd und unaufgeregt zugleich

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romy_abroad Avatar

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Akira Kido lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in einer kleinen Wohnung in einem Hochaus in Tokyo, die sich die kleine Familie vor Kurzem gekauft hat. Tagsüber arbeitet Kido als Anwalt, abends verbringt er Zeit mit seinem Sohn und seiner Frau. Doch vor allem die Interaktionen mit seiner Frau sind in letzter Zeit immer öfter unterkühlt. Und so ist er immer besonders aufmerksam, wenn er beruflich mit einer Frau in seinem Alter zu tun hat: So auch bei Rie, die er vor Jahren bei der Scheidung von ihrem ersten Mann unterstützt hat. Sie hat sich nun erneut an ihn gewendet, da ihr zweiter Mann vor Kurzem verstorben ist, und scheinbar ein Geheimnis mit ins Grab genommen hat. Durch Zufall erfährt Rie, dass ihr Mann die Identität eines anderen angenommen hatte, und sich auch dessen Vergangenheit zu Eigen gemacht hat. In ihrem Auftrag macht Kido sich auf die Suche nach der wahren Herkunft des Mannes, mit dem Rie beinah vier Jahre zusammen gelebt hat und ein Kind bekommen hat. Dabei stößt Kido auf immer mehr Geheimnisse, die ihn auch sein eignes Leben in einem ganz neuen Licht sehen lassen.

Keiichiro Hirano nimmt die Leser an die Hand und führt sie routiniert durch die japanische Kultur. Dabei werden viele Themen gestreift, die für Leser aus einem westeuropäischen Kulturkreis unbekannt bis ungewöhnlich sind: Es geht um den extremen Stellenwert von Herkunft und Abstammung, damit verbunden auch um die Beziehungen zwischen verschiedenen asiatischen Völkern, wie Japanern und Koreanern. Auch einschneidende Ereignisse wie das Tohoku-Erdbeben in 2011, das über 20.000 Menschen das Leben gekostet hat, werden thematisiert. Allerings werden diese Themen nicht ausführlich diskutiert oder beleutet, sondern bilden eher die Rahmenbedingungen, in denen sich "Das Leben eines Anderen" entwickelt und abspielt. Das hat den Vorteil, dass die eher kurz gehaltenen Passagen zu diesen Themen nicht von der eigentlichen Handlung ablenken, lässt die Leser an der ein oder anderen Stelle jedoch auch etwas hilf- und ratlos zurück. Mich persönlich hat das Buch neugierig gemacht und ich möchte mich gerne mehr in diese Thematik einlesen.
Allerdings war dieser Aspekt auch schon das, was mir an "Das Leben eines Anderen" am besten gefallen hat. Die Handlung an sich fand ich nicht ganz so spannend wie erhofft, zumal auf dem Klappentext bereits ein Großteil des Inhalts offengelegt wird. Wer sich besonders für eine abgeklärte und strukturierte Erzählweise mit wenig Emotion und viel Schilderung begeistern kann, für den ist "Das Leben eines Anderen" vielleicht die bessere Wahl.