Schrödingers Stammbuch

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sandra falke Avatar

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Keiichirō Hiranos "Das Leben eines Anderen" ist zwar ein spannender Detektivroman – dennoch ist sein Wert gerade in der tiefgründigen philosophischen Ader seiner Figurendynamiken zu orten.

Dass die Gestaltung mancher Episoden kurzweilig ins Plakative rutscht (aus dem Anspruch spoilerfrei heraus grob formuliert – während eines gewissen Gefängnisbesuchs lehnt sich die Figurenpsychologie recht uninspiriert an Hannibal Lecter an; manche wenige Ereignisse erscheinen für die Handlung überflüssig zu bleiben) und dass das Erzähltempo eher ruhig als angespannt gestaltet wird, sollte zwecks einer ausführlichen und fairen Besprechung kurz erwähnt werden.

Allerdings stören die Entscheidungen bei den wenigen Figuren kaum – überdies führt die episodische reflexive Verlangsamung eher als Motivator zu interessanten Eigenreflexionen als zu entstehender Ungeduld.

Man:frau beginnt als Lesende:r, den von Kido gestellten Fragen aus persönlicher Perspektive auf den Grund zu gehen, da der Raum dafür aus der Verlangsamung geschaffen wird – und erzielt dadurch ein weit erhellenderes Leseerlebnis, als es aus einem gewöhnlichen Krimi oder dergleichen möglich wäre.

Wem der sachlich-ruhige Stil japanischer Literatur (mit kleinen Ausschweifungen ins Groteske und psychologisch Unheimliche) also zuspricht, wird in dieser Lektüre ein wahrhaft faszinierendes Leseerlebnis vorfinden.