Sind wir wirklich der, der wir vorgeben zu sein?

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abibliophobia Avatar

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Das Thema interessiert und berührt mich sehr, da mich Identitätsdiebstahl sehr interessiert, egal ob im Internet oder in der Realität. Japanische Autoren sind in meinem Bücherregal eher spärlich vertreten, daher war ich umso gespannter. Das Cover ist geheimnisvoll und eher unauffällig, passt aber wunderbar zum Inhalt des Buches. Die Einführung stimmt den Leser bereits sehr gut ein und erzeugt die notwendige Spannung. Das Buch beginnt mit Ries tragischer Lebensgeschichte und obwohl man weiß, dass Daisuke tot ist, fragt man sich was vorgefallen ist und hat zig offene Fragen und Gedanken im Kopf. Der Schreibstil ist sehr gut, sehr fesselnd und die Seiten sind spannungsgeladen. Als wäre der Tod ihres geliebten Mannes nicht bereits schlimm genug, wird ihr der Boden unter den Füßen weggezogen, als sie erfährt, dass ihr Mann niemals der Mann war, für den sie ihn gehalten hat. Immer wieder fragt man sich, wie jemand so eine Lebenslüge verkraftet? Wie schließt man Frieden, wenn man keine direkte Antwort mehr von der betroffenen Person erhält? Wie erzählt man seinen Kindern eine Geschichte, die man ja selbst nicht einmal annähernd versteht? Der Anwalt Kido findet schnell am eigenen Leib heraus, wie einfach und schnell man sich eine neue Identität aneignen kann und wie viel Spaß und Spannung das Spiel mit der Lüge machen kann. Das Vorspielen falscher Tatsachen ist so einfach und doch so voller Faszination. Es wird sehr gut beschrieben, wie schnell man in so einer Situation die Kontrolle verliert, besonders wenn das Umfeld, in diesem Fall Kidos Ehe, eher instabil ist.
Die japanische Geschichte und die dramatische Erdbebensituation werden gekonnt in die Handlung eingebunden und sind äußerst interessant, da für mich völlig unbekannt.
Das Buch erzeugt kontinuierlich Spannung. Immer wenn man glaubt, man hat eine Spur, liegt man falsch und die Spannung ist kaum aushaltbar. Das liegt wohl auch an dem speziellen Thema und an dem gekonnten Wechsel zwischen akribischer Recherche und Zufalls-Spuren, auf die Kido sich begibt.
Und immer wieder im Hintergrund die Frage, wie schlimm das eigene Leben sein muss, dass man bereit ist seine eigene Identität aufzugeben.
Es ist schwer über dieses Buch nicht zu viel zu verraten, nur so viel: es ist voller Überraschungen und uneingeschränkt lesenswert für alle, die in eine neue Geschichte eintauchen wollen und spannungsgeladene Seiten suchen.