Surrey von seiner schönsten Seite

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Constance Harding bekommt von ihrem Sohn einen Computer geschenkt und hat nun die Möglichkeit, mittels Internet-Blog dem Rest der Welt von ihrem Leben in Surrey zu erzählen. Wie es ihr in den Sinn kommt, plaudert die Mittfünfzigerin über für sie wichtige Themen wie geschlossene Teestuben, Angestellte und der anstehenden Meisterschaft im Wechselläuten. Nebenbei lernt man ihre Familie kennen und wundert sich über so manche Ungereimtheit. Constance hat allerdings für alles eine Erklärung und reagiert mit typisch britischer Zurückhaltung. Diese Unbedarftheit lässt manche Situationen skurril wirken. Welche Haushälterin hängt schon ihre Unterwäsche zum Trocknen im Arbeitszimmer des Hausherrn auf? Auch die Fernsehkarriere der Tochter entpuppte sich als nicht so seriös wie es Constance gerne glauben will. Auf die vermeintliche Verlobte des Sohnes brauche ich dann wohl nicht extra hinzuweisen.

 

Die Autorin Ceri Radford ist Redakteurin beim Telegraph und hat ihre Protagonistin für eine Kolumne entwickelt. In diesem Debütroman berichtet Constance nun in Ich-Form über ihre Erlebnisse und Sorgen. Ausdrucksweise und Themen sind so gewählt, wie sie jemanden in den Sinn kommen. Dadurch wirkt dieser Schreibstil auf den ersten Seiten etwas gewöhnungsbedürftig. Als Nicht-Engländer muss man sich außerdem noch ins Gedächtnis rufen, dass das Leben in Surrey eben kein Gurkensandwich ist, sondern stets auf den äußeren Schein geachtet werden muss. Diese Anstrengung ist Constance anzumerken und überträgt sich teilweise beim Lesen.

 

Surrey ist an sich schon der Begriff für Spießigkeit. Man findet dort die klassischen 5-Uhr-Tee-Treffs, gepflegte Gärten und Häuser und das typisch britische Understatement. Genau diese vornehme Gesellschaft nimmt die Autorin mit Constances Naivität auf die Schippe. Als Leser kann man sich natürlich einige Situationen zusammenreimen, zu denen Constance immer noch eine Entschuldigung findet. Zum Teil wirkt dieses Verhalten sehr weltfremd und ist für viele unvorstellbar. Bevor die Geschichte allerdings ärgerlich wird, macht sie eine Wendung, die zum Nachdenken anregt. Constances Gedanken werden nachvollziehbar und als Leser freut man sich über ihren Mut zum Handeln. Wer sich auf diese Welt einlassen kann, wird sicher viel Spaß am Buch haben. Vermutlich liest es sich im Original mit der richtigen Intonation witziger. Durch die Übersetzung und vor allem andere Mentalität verliert es im Ausland an Charme. Für alle, die sich damit anfreunden können, ist es sicher eine lockere Ferienunterhaltung.