Frisch getrennt und kratzbürstig

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tochteralice Avatar

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So präsentiert sich uns Georgie Sinclair in der Leseprobe. Quasi aus Versehen hat sie ihren Gatten dazu gebracht, sich von ihr zu trennen und obwohl sie es bereut, kann sie nicht anders, als sich nun zickig und rachsüchtig zu geben. Im Moment jagt bei ihr ein negatives Erlebnis das nächste: ihr Job bei einem Klebstoff-Fachmagazin langweilt sie, ihre Karriere als Schriftstellerin scheitert daran, dass die Verlage ihre Manuskripte zurücksenden und keinen Hehl daraus machen, wie schlecht sie diese finden. Ausserdem muss sie sich mit ihrem pubertierenden Sohn rumschlagen, der zum Nerd zu mutieren scheint.

Die skurrile Mrs. Shapiro, die in dem Roman offensichtlich eine entscheidende Rolle spielen wird, startet ihren Eintritt in Georgies Leben eher verhalten: wie eine Pennerin zieht sie, verfolgt von zahlreichen Katzen, mit einem Wägelchen durch die Straßen und schnappt sich die Bücher und Schallplatten von Georgies Ehemann, die diese in den Müll geworfen hat.

Ein Roman, der wie einer dieser belanglosen lustigen Frauenromane startet: doch ich bin mir sicher, es steckt mehr dahinter. Noch hält sich die Autorin mit ihrem Wortwitz und ihrer Erzählkunst zurück, doch als Kennerin und Liebhaberin ihrer beiden bisherigen Bücher kann ich mir nicht vorstellen, dass das alles ist. Allerdings kann ich, auch wenn ich gerne würde, für diesen eher schlappen Start nicht mehr als 3 Sterne geben, da einfach noch nicht genug "Saft" in der Geschichte steckt.

Marina Lewycka hat sich vor allem mit "Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch", einem intelligenten und witzigen Roman, in dem es um Exil-Ukrainer in England geht, die nach der Wende von Landsleuten aus der Heimat "heimgesucht" werden. Hier und auch im Nachfolgeroman "Caravan" brilliert sie wie kein(e) andere(r) durch ihre Beschreibung verschiedener ethnischer Gruppen. Der neue Roman verspricht eine Konfrontation zwischen Figuren jüdischer und palästinensischer Herkunft,  natürlich auch wieder im britischen Exil. Ich bin mir sicher, dass die eigentliche Kraft des Romans in diesen Szenen. die erst steckt und selbstverständlich auch im Umgang Georgies mit der schwierigen Situation. Daher freue ich mich trotz kleiner Enttäuschungen beim Genuss der Leseprobe ganz irrsinnig auf dieses Buch!