Verknüpfte Schicksale

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heike lohr Avatar

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Dieses Buch hat mich mehr als einmal überrascht. Ich war so gespannt von der Geschichte, den überraschenden Wendungen, dass ich gerade eben wieder den Autor des Buches nachschlagen muss: Dominic Smith. Aus den Nachwort zu schließen, ist er eindeutig ein Mann, obwohl das Buch so einfühlsam und so auf die Schicksale der beiden Frauen fokussiert. Sara de Vos ist eine Malerin im 17. Jahrhundert, deren Schicksal uns sehr nahe geht, weil sie durch die Pest ihr Kind verliert und durch die schlechten Zeiten sowohl ihr Einkommen als auch ihren Mann. Das Bild, das Jahre lang in dem Besitz der Familie de Grot ist, verbindet die drei Zeitebenen bzw. vier Zeitebenen: In den 60ern entdeckt Marty de Grot aus einer reichen niederländischen Familie, dass sein Bild aus dem Familienbesitz nur eine Fälschung ist: Irgendjemand muss in seinem Schlafzimmer gewesen sein und das Bild ausgetauscht haben. Gleichzeitig mit dieser Entdeckung wird in den eingestreuten Kapiteln, die Geschichte der Fälscherin wider Willen erzählt, die eigentlich als Restauratorin arbeitet und auf Kunstgeschichte umsattelt. Das bedeutet neben der Arbeit studieren. Sie ist keine Amerikanerin, sondern eine Australierin, die in einer Substandardwohnung in Brooklyn ihr kärgliches Dasein fristet. Mehr oder weniger gezwungen durch ihre finanzielle Lage und auch getäuscht durch die zwielichtigen Menschen, die Bilder restaurieren oder Kopien anfertigen lassen, hat sie sich darauf eingelassen. In weiteren Rückblenden erfährt man viel aus ihrer nicht unbedingt rosigen Kindheit. Fälscherin und Besitzer des Bildes, das ihm entwendet wurde und durch die Fälschung ersetzt wurde, treffen zusammen. Die Rache fällt nicht so wie geplant aus und die Fälscherin überlässt ihrem Agenten Fälschung und Original. Dieser kassiert den Finderlohn für das Original. Die Kunsthistorikerin begibt sich in die Niederlande und forscht weiter. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts, 2008 kommen sie in Australien wieder zusammen, der große Zusammenstoß und die große Katastrophe werden nun vom Leser/von der Leserin erwartet. Dennoch kommt es auf andere weise dramatisch und irgendwie auch versöhnlich zu einem nachdenklichen Ende: Die Gegensätze und die Liebe, die enttäuscht wurde, werden mit Nachsicht betrachtet. Jede Seite entschuldigt sich und das Leben geht weiter. Das Bild hat der Familie de Grot nur Unglück gebracht, jetzt wird es der Wissenschaftlerin und Restauratorin zu einer neuen Sichtweise verhelfen, weil unter den gelieferten niederländischen Bildern ein späteres von Sara de Vos aufgetaucht ist, das sie als verlassene Ehefrau für einen ehemaligen Arbeitgeber ihres Mannes malt: Das Bild, das den Schmerz und die Trauer des Dorfes ausdrückt, das von der Pest fast vollkommen ausgerottet wurde. Dadurch kann Sara de Vos wieder Lebensmut fassen und geht noch einmal eine Ehe ein. Ein spannendes Buch über das Schicksal von Frauen und gleichzeitig auch eine Anleitung zum Fälschen von alten Meistern. Darin verborgen ist auch eine Art von Kriminalroman mit einer guten psychologischen Durchleuchtung aller Figuren. Das Cover des Buches ist ein Kunstwerk für sich, das eine umgeschlagene Leinwand als übermächtiges Bildmoment aufweist, auf welche Titel und Autor geschrieben ist. Der untere Teil zeigt das Bild, das als letztes Bild der Sara de Vos galt. Dieserr Bildteil des Covers ist glatt, wohingegen die Leinwand sich rauh anfühlt, so dass man einen lebhaften haptischen Einstieg in die Wunderwelt der Malerei erhält. Dieses Buch ist absolut empfehlenswert.