Ein Jahreshighlight!

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
throughmistymarches Avatar

Von

In „Das Leuchten der Rentiere“ durfte ich viel über die Kultur der Sámi, dem indigenen Volk Skandinaviens, lernen. Der Roman beginnt mit einer sehr eindrücklichen Szene, als die 9jährige Elsa allein auf dem Weg zu den Rentieren ist. Diese werden von Sámi-Familien halbwild gehalten, ihre Lebensweise ist eng mit den Tieren verknüpft. Elsa muss mit ansehen, wie ihr Kalb brutal gewildert wird. Bisher konnte die Familie die Gräuel von ihr fernhalten, doch von nun an, versucht sie zu verstehen: warum unternimmt die Polizei nichts, obwohl es wieder und wieder passiert? Drohungen, Rassismus, die Folgen des Klimawandels, Angst, Hoffnungslosigkeit und die hohe Suizidrate v.a. unter den jungen Sámi gehören zum Alltag. 10 Jahre später hat sich nichts geändert: aus der Perspektive der Wilderer wird die brutale Jagd beschrieben. Aus Spaß quälen und foltern sie die Ren zu Tode, so langsam es nur irgendwie geht.

Die tiefe, über Generationen gefestigte Verbindung die die Sámi zu den Rentieren haben, kann von Außenstehenden nie ganz nachempfunden werden. Viele der Rentierhalter scheinen resigniert zu haben: neben den Wilderern machen auch die Folgen des Klimawandels immer mehr Schwierigkeiten. Hinzu kommen einige selbst gemachte Probleme: das patriarchalische System sieht für Frauen wie Elsa, die ihr Leben den Ren widmen möchte, keinen Platz vor. Mit großer Leidenschaft kämpft sie für ihre Überzeugungen, auch wenn es wirkt, als träte sie gegen Windmühlen an.

Ein starkes Gefühl, das ich beim Lesen hatte, war Hilflosigkeit. Hilflosigkeit gegen schier übermächtige Feinde: die unvorstellbare Brutalität der Wilderer, der Rassismus, die Perspektivlosigkeit. Gleichzeitig aber auch Bewunderung: Elsa gibt nie auf; schöpft Kraft in der Natur, in den Tieren, in ihrer Kultur – die sie gleichzeitig immer wieder hinterfragt. Neugierde und die Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren und entsprechend zu handeln – das ist die Zukunft. Ein beeindruckender Roman, mit einer Protagonistin, die mir lange in Erinnerung bleiben wird.

Die fiktionale Geschichte basiert, wie Autorin Ann-Helén Laestadius, selbst gebürtige Sámi, im Nachwort berichtet, auf wahren Begebenheiten.