Eine Erfindung ihre Familie und Freunde

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dj79 Avatar

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Die Geschichte der Leica beginnt 1914 in Wetzlar, als der Feinmechaniker und Tüftler, Oskar Barnack, den Fotoapparat im Taschenformat, dessen Konstruktion ihm soeben gelungen ist, seinem Chef bei den Leitz-Werken vorstellt. Obwohl die Firma eigentlich Mikroskope entwickelt und produziert, sieht Ernst Leitz, der Sohn des Firmengründers das Potenzial des Gerätes. Der neue Roman von Sandra Lüpkes resümiert aber nicht nur die technischen Entwicklungsschritte der Kamera, sondern erzählt aus dem Leben der Inhaberfamilie, deren Freunden und Bekannten sowie von wichtigen Mitarbeitern der Firma Leitz. Durch den historischen Hintergrund fällt die Geschichte in die Zeit der Weltkriege.

Zunächst läuft die Handlung recht dokumentarisch ab. In unzähligen kurzen Sätzen werden Fakten präsentiert, Familienverhältnisse aufgeklärt. Wichtige Stationen der Firmengeschichte werden berichtet. Dadurch habe ich in der ersten Hälfte des Romans auch ein paar Längen empfunden. In dieser Phase mochte ich die Beschreibungen aus dem Haus der Präsente sehr gern. Ich konnte mir regelrecht vorstellen, wie die Wetzlarer große Augen machen, wenn sie silberne Kerzenständer oder so einen neumodischen Eierschneider bestaunen. Im weiteren Verlauf, mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten, wurde der Roman für mich emotionaler. Schon während der ersten Aufmärsche haben mich Einzelereignisse berührt. Die Nähe zu den Protagonisten wuchs stetig an, so dass mich manches Schicksal zum Ende hin Tränen in die Augen getrieben hat. Ich musste ganz schön kämpfen, sie nicht los zu lassen.

Den angenehm lesbaren Schreibstil in Kombination mit dieser ansteigenden Handlung mochte ich gern. Neben dem Emotionalen nahm auch die Spannung immer weiter zu. Abgerundet wird die Geschichte der Leica durch ein kurzes Nachwort der Autorin und ein Personenregister in alphabetischer Reihenfolge. Da es eine Häufung der männlichen Vornamen Ernst und Gustav gibt und vier Generationen Leitz im Roman Platz finden, hätte ich einen zusätzlichen Familienstammbaum hilfreich gefunden. Dafür wartet das Buch mit einer besonders schönen Gestaltung auf. Neue Entwicklungsstufen der Leica tauchen zeitlich korrekt zwischen den entsprechenden Kapiteln auf. Auch die weltweite Verbreitung der Kamera wird bildhaft dokumentiert. Im Vor- und Nachsatz befinden Fotos der Familie Leitz, deren Nachweis und Erläuterung sich auf den letzten Seiten befinden.

So entsteht insgesamt ein sehr lesenswerter Roman, der tatsächliche Ereignisse mit literarischer Fiktion ergänzt, und somit einen glaubwürdigen Eindruck des Lebens in politisch veränderlichen Zeiten zwischen zwei Weltkriegen vermittelt. Es braucht etwas Geduld bis der Roman richtig Fahrt aufnimmt. Für mich hat es sich gelohnt.