Kleider machen Leute - der Beginn der Berliner Modewelt

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Hedi Markwardt arbeitet entgegen dem Wunsch ihrer Mutter Hilde als Ladenmädchen im Warenhaus „Lichtenstein“ in Berlin im Jahre 1913. Am Anfang wird sie noch für kleinere Dienstbotengänge eingesetzt oder darf in der Krawattenabteilung unter Aufsicht von Peter Bernhard den Besen schwingen, aber schon bald wird ihr Talent für Formen und Farben entdeckt, als sie die neue Ware des Zwischenmeisters im Atelier einfach so nach Farben sortiert. Ab dem Zeitpunkt wird Hedi in der Damenbekleidung eingesetzt und bekommt schnell die Aufmerksamkeit von dem Konfektionär Hannes Hallberg, der auch weiterhin ihr Talent fördert. Allerdings stehen dem Lichtenstein nicht nur rosige Zeiten bevor auch in Hinblick auf den nahenden 1. Weltkrieg. Schon bald muss das Personal des Lichtensteins enger zusammenrücken und es zeigt sich, dass es in einer Krise keine Standesunterschiede gibt.

Mir haben besonders beim Lesen des Buches die tiefen Einblicke in die Modegeschichte von Berlin des Jahres 1913 gefallen. Während des Lesens erhält man zahlreiche Hintergrundinformationen, über die Situation der Modewelt in Berlin und wie es Berlin als Modestandort geschafft hat, sich von seinen großen Vorbildern Paris und Mailand zu separieren, um etwas Eigenes zu erschaffen. Es ist eine Geschichte des Aufbruchs und der Neuanfänge.

Dies gilt nicht nur für die Modewelt, sondern auch für die Rolle der Frau zur damaligen Zeit. Der Krieg brachte in allen Bereichen Veränderungen und man musste sich anpassen, um nicht unterzugehen. Allerdings brachte der Krieg nicht nur negative Veränderungen, sondern änderte auch das Bild der Frau in Bezug auf die Arbeitswelt. Am Anfang des Buches erlebt der Leser noch die vorherrschende Meinung über die „arbeitende Frau“ zur damaligen Zeit in Form von der Mutter von Hedi, die meint Hedi solle ja nichts den Nachbarn sagen, dass sie arbeiten gehen würde und sie ja nur arbeiten geht, bis sie verheiratet sei. Auch innerhalb des Warenhauses darf Hedi nur Dienstbotenaufträge ausführen, da eine Frau nicht in den Verkauf gehört. Der Krieg änderte dieses Meinungsbild, da alle gesunden und fähigen Männern an die Front geschickt wurden und große Lücken in der heimischen Wirtschaft verursachten, da ihr Arbeitsplatz unbesetzt blieb. Nur die Frauen blieben übrig und übernahmen behelfsweise auch die Arbeiten der Männer. Eine Sache, die vorher undenkbar war, wurde nun in der Not einfach so umgesetzt und es funktionierte!

Eine Sache, die mir auch besonders gut gefallen hat, sind die verschiedenen Blickwinkel der Frauen, die durch eigene Kapitel Einzug in das Buch gefunden haben. Da wäre zum einen, z.B. Ella Winkler zu nennen. Eine Schauspielerin mit noch mäßigem Erfolg, die aber nie ihren Traum aufgibt und sich nicht von der Männerwelt unterkriegen lässt. Im Kontrast dazu steht Thea Stübner, die nur im Warenhaus Lichtenstein arbeitet, da sie aus ärmlichen Verhältnissen kommt und so auch hofft einen Ehemann zu finden. Eine vermittelnde Rolle nimmt dabei Hedis Mutter Hilde ein. Sie ist in der „alten Welt“ aufgewachsen, aber nach dem Verlust ihres Ehemanns, lernt sie das Leben noch einmal neu kennen und merkt, dass früher doch nicht alles besser war.

Ebenso fand ich das Verhältnis zwischen den Arbeitgebern in Form der Familie Lichtenstein und ihren Arbeitnehmern schön zu Lesen. Die Familie Lichtenstein betrachtet ihre Arbeitnehmer als Teil einer einzigen großen Familie an und setzt sich für ihre Belange ein. Dies empfand ich als sehr herzlich und ist bestimmt auch der Grund, warum das Lichtenstein sich nicht unterkriegen lässt, egal wie groß die Krisen auch sind.

Demnach kann ich nur jedem dieses Buch empfehlen, der etwas über die Anfänge der Berliner Modewelt erfahren und die Gedankenwelt der Kriegsjahre nachvollziehen möchte, um auch zu sehen, welche Auswirkungen diese auf die Modewelt hatten. Ich bin schon sehr gespannt auf den zweiten Band und wie es mit dem Lichtenstein weitergehen wird! 😉