Epische Fantasyunterhaltung mit ein paar winzig kleinen Schwächen...

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
ismaela Avatar

Von

Ich habe mir dieses Buch extra für das Wochenende aufgehoben, also habe ich es mir am Freitagabend gemütlich gemacht, eine Tasse Kaffee getrunken (ich hasse Kaffee, aber er hält wach), habe den Buchdeckel aufgeklappt und - schwupps - war ich weg.

"Das Lied des Blutes" ist der erste Teil einer Trilogie um den Kämpfer Vaelin Al Sorna, der als 10jähriger Junge von seinem Vater in den Sechsten Orden gebracht wird, in dem er in einer gnadenlosen Ausbildung Fertigkeiten und Fähigkeiten erlernt, die ihn auf brutale Schlachten und Kriege vorbereiten soll. Wie zu erwarten entwickelt sich Vaelin bald zu einem mutigen Kämpfer, der der Beste im Schwertkampf ist und seine "Brüder" als Anführer durch die Zeit im Orden führt. Traditionell werden die Brüder nach erfolgreicher Beendigung der Ausbildung an Kriegsschauplätzen der ganzen Königslande eingesetzt, um den Glauben zu wahren und Ungläubige zu bestrafen. Diesen Weg soll auch V.A.S beschreiten, doch durch einen erzwungenen Handel mit dem greisen und machtgierigen König Janus wird er zu einem Spielball der Mächte, und gezwungen, Schlachten zu schlagen, um Menschen zu retten, die in der einen oder anderen Beziehung zu ihm stehen. Der letzte Handel, den V.A.S. eingeht, um einen weiteren Krieg abzuwenden, betrifft seinen letzten Kampf auf den Inseln, bei dem er sterben soll.

Das ist eine grobe Zusammenfassung des Romans, der mit seinen fast 800 Seiten tatsächlich epische Ausmaße hat und, zumindest meiner Meinung nach, nicht eine Länge aufweist. Seit "Der Herr der Ringe" bin ich wirklich oberkritisch, wenn es um Fantasy geht (ohnehin nicht mein Lieblingsgenre), denn das meiste dümpelt doch sehr im Fahrwasser dieses Jahrtausendromans, doch "Das Lied des Blutes" ist ein eigenes Werk und verteidigt dies bis zur letzten Seite. Klar, die ersten 50 bis 100 Seiten gehen für Erklärungen und Einführungen drauf, und durch das Auftreten vieler vieler Personen mit vielen vielen fremdländischen Namen, bei denen man irgendwann fast den Überblick verliert (wer gehört zum Kaiser? wer gehört zum König? wer ist Freund, wer ist Feind?) - aber fast von Anfang an rauscht der Leser atemlos durch dieses Geschichte, bis er es zum Schluss japsend das Buch zuschlägt und sich fragt, wann der zweite und dritte Teil auf deutsch erscheinen.

Die Figuren sind allesamt vielschichtig und voller Tiefe gezeichnet, es werden kaum Klischees bedient. Der Schreibstil ist flott und schnell zu lesen. Die Beziehung von V.A.S. zu seinen Brüdern im Orden und seinen Lehrern wird sehr menschlich und emotional ausgearbeitet, die Gedanken und Gefühle von V.A.S. lassen ihn in einem zutiefst menschlichen Licht erscheinen. Mit großer Detailliebe werden Schlachten und Märsche, Prüfungen und das Aufeinandertreffen von Mächtigen und Befehlsempfängern beschrieben. Es wird niemals kitschig, die Fantasy ist eine natürliche, machtvolle, kein dummes Vampirgedöns oder Zauberstabgefuchtel, die Liebesgeschichte, die natürlich auch nicht fehlen darf, ist frei von Schmalz und Schmus. Zwar besteht die Geschichte vom Lied des Blutes in der Hauptsache aus Drill und Krieg und Kampf und ewig verwickelten Bündnissen und Intrigen, aber die Ereignisse im Leben von V.A.S. wechseln sich so schnell ab und werden so mitreißend beschrieben, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann.

Und doch... Und doch gibt es ein paar Mängel, die mir aufgefallen sind, und das ist vor allem die allzu moderne Sprache, die irgendwie nicht so sehr zu dieser Geschichte passen will. Nicht nur einzelne Ausdrücke fallen mir da auf - die Brüder etwa werden als "Jungs" bezeichnet, V.A.S. wird von der Frau des Schmieds eher nicht auf einen "Eistee" eingeladen - auch die Sprache an sich ist irgendwie für diese Erzählung nicht "gehoben" genug, wenn das die richtige Bezeichnung ist. Das schmälert den Lesegenuss natürlich nur miniminimal, vielleicht ist es auch die Übersetzung, die diesen Eindruck erweckt. Aber bei dieser Länge ist dies wohl zu verschmerzen - und ausserdem ein rein subjektiver Eindruck.

Abschließend kann ich nur sagen: zuerst war ich skeptisch, ob mich dieses Buch überzeugen würde können - jetzt weiß ich, dass ich die beiden nachfolgenden Teile ebenfalls lesen werde! Für Fans epischer "Real-Fantasy" ein absolutes Muss!