Epische tolle Fantasy, die mich auf den Geschmack gebracht hat

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tanpopo Avatar

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Ich bin ohne Vorkenntnisse der Rabenschatten-Trilogie ins kalte Wasser gesprungen. Das brachte, so muss ich gestehen nach dem ersten Kapitel einige Schwierigkeiten mit sich in die Handlung einzusteigen, da es in der Rabenklinge-Reihe vordergründig um Vaelin al Sorna, den Helden der vorbenannten Trilogie geht. Aber mit ein bisschen Geduld und genereller Erfahrung im Verständnis von High-Fantasy-Welten kann man der Handlung folgen und letztendlich voll in die Handlung eintauchen.

Sehr gut, wenn auch ganz zu Beginn sicherlich etwas verwirrend, sind grundlegend die zwei Handlungsebenen, die der Autor nutzt, um zeitlich übergreifende Ereignisse kenntlich zu machen.
Neben den aktuellen Ereignissen in der Lebenswelt von Vaelin, die den Hauptteil des Roman einnehmen gibt es immer zum Beginn eines neuen Romanabschnittes einen rückblickenden Bericht von Luralyn, der Seherin der Stahlhast. Durch sie erhalte ich als Leser Einblicke in die ganzen Vorentwicklungen innerhalb der Stahlhast bis hin zu dem Zeitpunkt, an denen sich Luralyns Erzählungen mit den aktuellen Ereignissen des Romans zu decken beginnen. Aus meiner Sicht ein schriftstellerisch gelungener Griff.

Was ich an diesem Buch so sehr schätze ist wieder einmal die wirklich gelungene Transformation von realen historischen Prozessen unserer Welt auf eine fantastische Ebene.
Unverkennbar sind hier die Entwicklungsprozesse der Horde, die stark an die zentralisierende Entwicklung der Mongolen unter Dschingis Khan und dessen Expansionsbestrebungen erinnern. Super passt da der fantastische Effekt der Vergöttlichung des Anführers und Einiger der Stahlhast in diese Geschichte hinein. Gerade bei den dramatischen Entwicklungen im letzten Drittel des Romans erinnerte mich das Element sehr stark an Thulsa Doom aus Conan der Babar – das ist richtig gut.
Auch das Kaufmannskönigreich, in dem die aktuellen Ereignisse überwiegend verankert sind entwickelt starke Anlehnungen an die klassische chinesische Gesellschaft mit Triaden und einem Gefolgschaftssystem wie man es in Europa überwiegend aus den gängigen chinesischen Filmen und Romanen kennt. Da der Ferne Osten (im Roman der Ferne Westen) mit seinen Legenden und Traditionen für uns zumeist ein tolles Repertoire an Mystischem enthält, passt die Figur der Jadeprinzessin hier im Roman makellos hinein.
Und nun noch ein paar allgemeine Worte zu den Charakteren. Sicherlich könnte man dem Autor den Vorwurf machen, dass diese wieder einmal sehr stereotyp und daher etwas oberflächlich sind. Bei näherer Betrachtung sind sie es jedoch nicht. Zum Teil tragen sie schon Entwicklungen aus der Trilogie in sich, die ihr grundlegendes Verhalten prägen. Dadurch kann man sicherlich sehr geradlinige Vermutungen anstellen, wie sich die Charaktere entwickeln können. Aber es wäre ja auch keine epische High-Fantasy, wenn man nicht generell absehen könnte was ganz am Ende stehen kann. Das ist etwas, was viele Romane und Genre teilen und lässt die Protagonisten trotzdem nicht oberflächlich und platt erscheinen.
Da ist zum Beispiel Sherin, die ganz dem Klischee der typischen Heilerin entspricht, immer bemüht jedem Verletzten irgendwie zu helfen und wenn es das letzte ist, was sie tut. Schon ein klassischer Archetyp. Und doch stellt sie auch Gifte her, als es darauf ankommt und definitiv nicht aus einer nostalgischen Verbundenheit Vaelin gegenüber. An dieser Stelle kommt durchaus der Ansatz eines Charakters durch, der Situationen pragmatischer beurteilt, als es ein normaler Archetyp tun würde.
Und so muss man einige Charaktere des Romans genauer betrachten und durchdenken in Bezug auf deren Hoffnungen und Handlungen.

Mich konnte der Roman richtig überzeugen und ich kann ihn absolut weiterempfehlen. Man sollte sich beim Lesen jedoch Zeit nehmen und bisweilen ein wenig über die Entwicklungen nachdenken.
Für Leser, die anhand des Klappentextes jedoch davon ausgehen, dass sich hier um eine epische und dramatische Liebesgeschichte mit großen Emotionen im Vordergrund handelt, denen rate ich vom Buch ab.