Von der kindlichen Kraft des Überlebens

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
lesemöwe Avatar

Von

Im Klappentext des Romans steht, dass der Autor Michael Kohlmeier "von einem Leben am Rande und von der kindlichen Kraft des Überlebens" erzählt und dass es sich um einen "Roman, dessen Faszination man sich nicht entziehen kann", handelt. Das fasst das Thema des Buches treffend zusammen.

In der Leseprobe erfährt man anfangs nur, dass ein kleines Mädchen jeden Tag tagsüber von einem "Onkel" in der Stadt ausgesetzt wird und abends wieder eingesammelt wird und dass es sein Ziel ist, "dass sie über den Winter kommt". Was auch immer das heißen mag- insgesamt ahnt man Böses, hat man doch schon zur Genüge von den organisierten Banden gehört, die Kinder missbrauchen, um sich mit ihrer Hilfe an irgendetwas zu bereichern.

Eines Tages wird sie plötzlich abends aber nicht mehr wie vereinbart abgeholt und ist auf sich allein gestellt, weiß nicht, wo sie nachts unterkommen soll und wo sie etwas zum Essen und Trinken findet. Nach einer Nacht in der Kälte, in der sie in einer Mülltonne gelegen hat, trifft sie auf jemanden, der ihr etwas zum Essen und Trinken kauft, und legt sich in den Eingang eines Restaurants, um sich aufzuwärmen. Dort wird sie gefunden. An der Stelle endet die Leseprobe erstmal.

In welchem Zusammenhang der Titel "Das Mädchen mit dem Fingerhut" mit dem Text steht, wird zu Beginn noch nicht deutlich.

Das Schicksal des kleinen Mädchens berührt einen als Leser, denn die Hoffnungslosigkeit ist greifbar, dafür braucht es keine großartigen Ausschmückungen, was sich in dem nüchternen Stil und den vielen Satzreihen zeigt.
Ganz besonders irritierend ist der Beginn des Romans: "Dieser Mann war ihr Onkel. Sie wusste nicht, was das Wort bedeutet." (Seite 7). Normalerweise würde ein Satz bzw. Text nicht mit dem Demonstrativpronomen oder bestimmten Artikel anfangen, wenn der Bezug noch gar nicht gegeben ist. Wenn man bedenkt, dass es oft heißt, dass der erste Satz einer der Schlüsselsätze eines Textes ist, ist dieser Satz also auf jeden Fall etwas Besonderes.

Alles in allem ist dies eine Leseprobe, die mitnimmt in eine Welt, die einen schockiert. Wenn man aber dem Satz des Klappentextes Glauben schenkt, der besagt, dass es um die kindliche Kraft des Überlebens geht, dann suggeriert er doch, dass vielleicht doch auch etwas passiert, was Hoffnung gibt.