Handwerklich meisterhafter Histo-Thriller!

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Im kaiserlichen Wien kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts geht es hoch her: Zuerst taucht ein angesehener Archäologieprofessor als mumifiziertes Mordopfer stilecht in einem Sarkophag auf, dann erschüttert eine Mordserie an jungen Männern in den eher anrüchigen Vierteln der Hauptstadt die Öffentlichkeit und zu guter Letzt stellt ein bizarrer Raubkatzenangriff die Polizei vor weitere Rätsel. Es wird also erneut Zeit für Inspektor Leopold von Herzfeldt, seine zwischenzeitlich zur Polizeifotografin aufgestiegene Freundin Julia Wolf und den Totengräber Augustin Rothmayer, mit ihren unkonventionellen Ermittlungsmethoden gehörig anzuecken ...

Dass Oliver Pötzsch erfolgreich Bestseller am laufenden Band produzieren kann, hat er spätestens mit der inzwischen acht Bände umfassenden Henkerstochter-Saga bewiesen, die auch international große Beachtung fand. „Das Mädchen und der Totengräber“ ist hingegen die Fortsetzung seiner anderen, erst im vergangenen Jahr begonnenen historischen Krimi-Reihe um den jüdischen Kommissar von Herzfeldt, mit der Pötzsch um ein paar Jahrhunderte nach vorn springt. Das gelingt mit Leichtigkeit, denn man merkt inzwischen deutlich die stetig gewachsene Erfahrung, die der einstige Journalist in den sorgfältigen dramaturgischen Aufbau seiner Geschichte fließen lässt. Natürlich ist all das immer noch lupenreine Unterhaltungsliteratur, aber die handwerkliche Finesse in fast allen Details des beinahe 500 Seiten starken Krimi-Sequels ist gerade für deutsche Verhältnisse schon überragend und braucht den Vergleich mit internationalen Spannungsautoren kaum noch zu scheuen.

Das Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts erwacht in unzähligen kleinen Nebensätzen zu atmosphärischem Leben, während der temporeiche Handlungsverlauf zu keiner Zeit auch nur annähernd zu langweilen beginnt und Pötzsch, gewitzt wie er ist, die nachgesagte Behäbigkeit eines typischen Massenmarkt-Historienschinkens geschickt mit den blutrot grausigen Pathologieschweinereien moderner US-Hardcore-Thriller verwebt. Das ist clever gemacht und wird Teile des Zielpublikums sicherlich verschrecken, sollte dem Autor aber problemlos jede Menge neue Fans erschließen. Stilistisch meisterhaft und ein wohlverdienter Platz in der ersten Liga deutschsprachiger Unterhaltungsautoren – mindestens auf Augenhöhe mit den Fitzeks, Schätzings und Eschbachs dieser Welt.
Definitiv wohl der heißeste Tipp des Thriller-Frühjahrs!