Sind wir unbelehrbar?

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
ples Avatar

Von

Die Geschichte ist wie ein Brief an die Leser*innen aufgebaut – auch wenn einem das zu Beginn nicht sofort bewusst wird. Es dauert eine Weile, bis man erkennt, dass es mehr ist als nur eine Erzählung. Der Einstieg erfolgt beinahe beiläufig, ohne große Erklärungen, aber genau das macht den Reiz aus: Man wird unmittelbar hineingezogen in eine Geschichte, die auf den ersten Blick unterhaltsam und leichtfüßig wirkt, aber schon bald ihre tiefgründige Seite offenbart.
Man lernt zwei zentrale Figuren kennen: eine junge Frau aus unserer heutigen Zeit, verankert in einer Welt voller Widersprüche und Unsicherheiten – und einen jungen Mann aus der Vergangenheit, der plötzlich in unserer Gegenwart auftaucht. Doch wie erklärt man jemandem, der nicht aus unserer Zeit stammt, welche Irrwege die Menschheit beschritten hat? Wie bringt man ihm bei, dass bestimmte Worte heute nicht mehr benutzt werden dürfen, weil sie verletzen und rassistisch sind? Wie vermittelt man einem Zeitreisenden das komplexe Konzept der Emanzipation oder die Abgründe von Rassismus, die bis heute nachwirken? Was als humorvolle Geschichte beginnt, entfaltet sich nach und nach zu einem beklemmenden Drama, einer Flucht ums Überleben – und letztlich zu einem Spiegel unserer Gesellschaft. Die Handlung gewinnt an Tiefe und Dringlichkeit.
Ich selbst bin auch Tage nach dem Lesen noch hin- und hergerissen. Ist dieses Buch ein Meisterwerk? Oder einfach nur merkwürdig? Vielleicht beides. Es bleibt schwer greifbar, hinterlässt einen undefinierbaren Nachgeschmack – nicht unangenehm, aber eben undefinierbar. Und genau das macht es so bemerkenswert. Hier geht es nicht um fantastische Welten, wie man sie aus klassischer Science-Fiction kennt, und auch nicht um eine romantisierte Liebesgeschichte. Vielmehr rückt das Buch unbequeme Themen ins Zentrum: gesellschaftliche Isolation, die Schwierigkeit, sich anzupassen, strukturellen Rassismus, gescheiterte Emanzipation, die Abwesenheit echter Gleichberechtigung – und den erschreckend oft blinden Gehorsam gegenüber Systemen. Die Geschichte zwingt einen zum Innehalten. Sie stellt Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt. Und genau das ist ihre große Stärke: Sie regt zum Nachdenken an – nicht nur über die Vergangenheit oder die Zukunft, sondern über das Hier und Jetzt.
Wer sich auf diese außergewöhnliche Erzählung einlässt, sollte sich bewusst machen, dass sie nicht den üblichen Erwartungen entspricht. Dieses Buch ist unkonventionell, unbequem, überraschend. Es passt in keine Schublade, lässt sich kaum einordnen – und genau deshalb bleibt es im Gedächtnis.