„Russische Männer, die ändern sich nie“

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…sagt die Kassiererin in einem Moskauer Supermarkt und gibt damit kurz und knapp den Tenor des neuen Werkes „Das Moskau-Komplott“ von Daniel Silva wieder, nämlich, dass das „neue“ Russland bereits wieder nicht allzu weit entfernt vom „alten“ Russland ist.

Ich bin keine eifrige Leserin von Polit- bzw. Spionagethrillern, aber die Leseprobe zu Silva und seinem Moskau-Komplott gefiel mir außerordentlich gut. Mit dem „Moskau-Komplott“ betrat ich lesetechnisch daher sozusagen Neuland, fand mich aber sehr schnell in der Welt der Agenten und Geheimdienste sowie dem durch illegale Geschäfte aufgebauten Luxusleben des russischen Waffenhändlers Iwan Charkow und seiner Familie zurecht.

Ich durfte mit dem Kunstrestaurator und Mossad-Agenten Gabriel Allon um die halbe Welt reisen. In sehr anschaulichen sowie eindringlichen Beschreibungen bringt Silva dem Leser seine Handlungsschauplätze, insbesondere Saint-Tropez und Moskau, näher. Wechseln Ort und Zeit teilweise auch kapitelweise, hatte ich keine Probleme, mich zurechtzufinden. Auch gelang es mir aufgrund der Personenbeschreibungen stets den Überblick über die zahlreich auftretenden Personen zu behalten. Silva überzeugt mit einem außerordentlich gut recherchierten Roman und präsentiert eine komplexe Geschichte, der es in keinem Moment an Spannung mangelt. Kurze Kapitel reihen sich aneinander, lassen den Leser aktiv am Geschehen teilhaben und bauen so eine gute Spannung auf. Silvas Stil und Sprache sind gut strukturiert und verständlich, das Buch ließ sich daher sehr gut lesen. Auch konnte mich an vielen Stellen der unterschwellige Humor Silvas bgeistern.

Nicht ganz so gut hat mir der „Showdown“ gefallen, der sich zunächst langsam, deshalb aber nicht minder spannend anbahnt, dann jedoch durch eine abrupte, mich nicht hundertprozentig überzeugende Wendung zum Ende gebracht wird. Dies lässt mich etwas unbefriedigt zurück.
Auch der Charakter des „Hauptdarstellers“ Gabriel Allon hätte für meinen Geschmack etwas detaillierter und greifbarer dargestellt werden können. Hat er zwar diverse Auftritte und Aktionen, bleibt er für meinen Geschmack doch im Großen und Ganzen etwas zu farblos. Die anderen Protagonisten werden von Silva sehr gut beschrieben, leider gelang es mir jedoch über den ganzen Roman hinweg nicht wirklich, mir ein konkretes Bild von Allon zu machen. Aber vielleicht ist ja auch gerade das die hervorstechende Eigenschaft eines Top-Agenten?

Positiv ist noch zu erwähnen, dass ich als Neueinsteigerin keine Probleme mit dem „Vorleben“ Allons hatte, da der Autor in der Geschichte ausreichend Hintergründe dazu liefert. Eine sehr schöne Idee, die das ganze perfekt ergänzt, ist die textliche Übersicht über Allons bisheriges Leben bzw. seine Fälle am Ende des Buches. Ebenfalls dort zu finden und sehr informativ ist der kurze Abriss über die Recherchearbeit Silvas. Solche Ergänzungen würde ich mir auch bei vielen anderen Büchern wünschen, runden sie doch eine Geschichte sehr schön ab und die Leserin bzw. der Leser kann entspannt und hoffentlich zufrieden nach dem „Abspann“ den Buchdeckel schließen.

Silvas neuestes, ins Deutsche übersetzte Buch um Gabriel Allon habe ich mit Freude gelesen. Da der Agententhriller an sich jedoch nicht mein bevorzugtes Genre ist, werde ich voraussichtlich nicht zu den Vorgängerromanen greifen und es wird wohl eher bei diesem kurzen Abstecher in das unbekannte Genre bleiben. Nichtsdestotrotz könnte ich mir eine Verfilmung der Geschichten um Gabriel Allon sehr gut vorstellen und – sofern sie gut gemacht sind – wäre da der „Seriensuchtfaktor“ sicherlich sehr hoch.

Fazit:
Wenn der „Bösewicht“ seinen Auftritt hatte, bekam ich Gänsehaut, war ich doch in die Pläne des „Verräters“ und der Geheimdienste eingeweiht und wäre seinem Zorn und seiner Rache im Fall der Fälle gleichermaßen ausgeliefert gewesen. Was kann ein Autor eines Spionagethrillers sich mehr wünschen?