Ein Detektiv, der an den Säulen der Gesellschaft sägt

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Auf Grund eines Auftrags vom BKA arbeitet der  Privatdetektiv und ehemalige Polizist Dengler die Akten zum Attentat auf das Münchner Oktoberfest von 1980 wieder auf. Was zunächst nach einem Bürojob aussieht, wird schnell zu einer atemberaubenden und auch gefährlichen Recherche, die letztendlich Unglaubliches zu Tage fördert. Es stört nicht, dass das Buch bereits der fünfte Fall Denglers ist, man findet sich schnell zurecht in Denglers Leben und den Personen, die um ihn herum sind.

Bei der Leseprobe hat mich zunächst das Thema fasziniert, es gab aber auch einige Textpassagen, die mir sehr trocken vorkamen. Das hat mich anfangs etwas abgeschreckt und mir den Zugang zum Buch erschwert. Sehr schnell aber waren meine Bedenken zerstreut: Wolfgang Schorlau schafft es, spannend zu schreiben und dabei auch schwierige Themen verständlich rüberzubringen. Nur der Anhang bleibt nach wie vor etwas trocken, den hat Schorlau aber auch übernommen und dies so angekündigt. Die wichtigen Inhalte dieses Textes erfährt der Leser im Roman selbst, da Dengler sie herausfindet und in die Handlung einbaut.

Der Schreibstil bleibt klar und sachlich, auch wenn man die Betroffenheit Denglers während seiner Ermittlungen spürt. Es ist Schorlaus eigene Betroffenheit, wie der Leser im Nachwort erkennt. Unter der Überschrift „Finden und Erfinden – ein Nachwort“ erläutert Schorlau die Hintergründe dieses Buches – ein wichtiger Bestandteil eines Buches, das auf wahren Begebenheiten basiert. Hier werden zwei Sachbücher angegeben, die Schorlaus Buch zugrunde liegen und die für interessierte Leser eine gute Möglichkeit sind, sich weiter in die Hintergründe des Attentats zu vertiefen.

Die kurzen Kapitel gliedern das Buch so, dass man gerne weiterliest und immer wieder noch ein Kapitel dranhängt. Nebenbei beschäftigt man sich nicht nur mit der Geschichte des eigenen Landes, sondern auch mit der aktuellen politischen Lage. Elegant wird dabei der Bogen zwischen Deutschland 1980 und heute hergestellt; Nachdenken darüber inklusive.

Dass Dengler in Stuttgart ansässig ist, hat mich als Wahl-Stuttgarterin angenehm überrascht. Die Plätze und Straßen, in denen Dengler sich hier bewegt, kenne ich und habe sie sofort wieder erkannt. Ein kleiner Wermutstropfen mischt sich dennoch unter: Stuttgart und München wetteifern miteinander, und jede Stadt versucht die andere auszustechen. Dass ein Stuttgarter Detektiv in einer Münchner Angelegenheit recherchieren soll, scheint deshalb etwas an den Haaren herbeigezogen. Im Verlauf des Romans allerdings tritt diese Unwahrscheinlichkeit in den Hintergrund, denn was Dengler herausfindet, stellt alles andere in den Schatten.

Letztendlich hat das Buch meine Erwartungen übertroffen und neugierig gemacht auf die bisherigen vier Fälle Denglers. Der Klappentext des Buches kündigt an, dass Schorlaus Detektiv Dengler ein Detektiv ist, „der an den Säulen der Gesellschaft sägt“. Im vorliegenden Krimi wird dieses Versprechen eingehalten; nun interessiert es mich, ob dies auch für seine Vorgänger zutrifft.

Nicht zuletzt auf Grund des Themas und der guten Aufarbeitung des Attentats liegt hier ein Buch vor, das ich gerne weiterempfehle.