Kein ganz rundes Gesamtbild

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Jo Nesbø bricht immer mal aus seinem „Harry-Hole-Korsett“ aus – heraus kommt dann etwa „Das Nachthaus“. Darin geht es um den 14-jährigen Richard, der nach dem Tod seiner Eltern zu Tante und Onkel „aufs Dorf“ zieht. Dort lassen ihn die meisten (vor allem Gleichaltrigen) spüren, dass er nicht dazugehört, einzige Ausnahme: Tom. Der gehört nämlich auch nicht dazu, verschwindet jedoch plötzlich. Bei den Nachforschungen, wo Tom abgeblieben ist, will Richard helfen, erzählt jedoch krude Geschichten, weshalb er schnell als Schuldiger ausgemacht ist. Um sich aus der Schusslinie zu bringen, geht er Toms letzten Aktivitäten nach und landet damit beim Nachthaus, wo mysteriöse Dinge geschehen …

Uff, was war das denn? Kein „klassischer Krimi“, den man bei Nesbø und dem Klappentext vielleicht noch hätte erwarten können. Vielleicht Thriller, Mystery, Schauerroman – irgendwie fühle ich mich an Poe und Hoffmann erinnert. Dazu will nur die Erzählperspektive des Jugendlichen nicht so recht passen, das wechselt im weiteren Verlauf jedoch. Einhergehend mit dem Wechsel der Erzählperspektiven geht auch ein Schreibstilwechsel, wo es im ersten Teil noch Richards Perspektive des unreifen Jugendlichen ist, der auch mal Gefallen daran findet, das Stottern seines Freundes nachzuäffen, ändert sich das in den weiteren 2 Teilen, was mir grundsätzlich zupass kam, weil mir die Sprache im ersten Teil zu simpel geriet. Zum für Jugendliche geeigneten Buch passt zwar, dass manches doch etwas „drüber“, wenn nicht gar albern wirkte – nicht dazu passen jedoch die teils sehr skandinavien- und Nesbø-typischen recht drastischen Schilderungen. Deutlich wird wohl bereits aus den bisherigen Erläuterungen, dass ich ein wenig mit dieser Geschichte fremdele: Es gab sehr starke Stellen, wenn Nesbø mit mysteriös-schaurigen Elementen spielt, aber irgendwie fügt sich das nicht recht zu einem runden Gesamtbild. So wundert es mich denn auch nicht, dass auch wenn kein klares Genre feststellbar ist, es mir mit diesem Buch wie mit vielen anderen „aus dieser Richtung“ geht: Während des Lesens trotz zwischenzeitlich abflachenden Spannungsbogens ist es grundsätzlich spannend, aber das Ende lässt mich etwas ambivalent zurück (Ja, wie denn nun? Aber so ging’s mir bei einigen Erzählungen, auf denen etwa Hitchcock-Filme basieren, auch). In Summe komme ich hier einfach nicht umhin, die 3,5 Sterne abzurunden für eine Geschichte, bei der letztlich wohl jede(r) selbst entscheiden sollte, ob die Lektüre lohnt.