Kunsthistoriker ermittelt

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Der Titel „Das neunte Gemälde“ ist zwar recht neutral, weckt bei mir aber Erinnerungen an „Die neun Pforten“ oder „Lügenlandschaft“, zwei Bücher, die ich ausgesprochen gern gelesen habe. Wird Andreas Storm sich mit seinem Buch hier einreihen können?

Die Geschichte handelt von Kunsthistoriker Dr. Lennard Lomberg, dessen Spezialität NS-Beutekunst ist. Auf dem Weg nach London ereilt ihn ein Anruf, in dem er gebeten wird, die Rückgabe eines Gemäldes, vermutlich ein Picasso, zu organisieren: Beutekunst im (unrechtmäßigen) Besitz einer Stiftung. Dazu soll er sich mit einem gewissen Dupret treffen, doch bevor es so weit ist, wird Duprets Leiche in einem Bonner Hotel gefunden, das geheimnisumrankte Gemälde ist verschwunden. Lomberg macht sich an die Recherche und je tiefer er gräbt, desto klarer wird, dass das Gemälde eine Sensation ist und Lennards Familie dabei eine Rolle spielte – das weiß auch Sina Röhm, mit den Ermittlungen betraute Leiterin des Dezernats für Kunst- und Kulturgutkriminalität beim BKA. Bald suchen beide fieberhaft den Mörder Duprets und das Bild, doch das suchen auch noch andere …

Klar ist nach der Lektüre, dass Storm mit Lennard Lomberg einen für eine Reihe geplanten Protagonisten erschaffen hat. Deshalb nimmt dessen Ausgestaltung auch einiges an Zeit in Anspruch. Insofern passt es gut, dass bei diesem Fall Lennards Familie eine Rolle spielt. Hieran wiederum wird klar, dass die Geschichte nicht nur in der Gegenwart (hier 2016) spielt, sondern auch in den Jahren 1914, 1943 und 1966. Das macht Geschichten für mich in der Regel per se spannend, weil sich damit erzählerische Möglichkeiten auftun: Derweil man aus den 1940er-Jahren erzählt, will der Leser natürlich wissen, wie sich die Geschichte auf den anderen Zeitebenen entwickelt, für mich immer ein Spannungsfaktor und auch hier ergibt sich das Gesamtbild erst spät. Zudem bringt das Thema Beutekunst natürlich Spannung rein: Was ist da alles passiert, wovon wir keine Vorstellung haben – zudem ist auch die Kunstszene ja schon eine Welt für sich, das Ganze kombiniert mit einem Mord und den Nachforschungen des Protagonisten in seiner eigenen Familie … da schaut man schon mal in wenig schöne „Fratzen“. Klar ist bei dieser Vielfalt an Themen, dass die Lektüre nicht ganz leicht daher fließt, zumal man sich immer wieder bei der Frage ertappen dürfte: Was ist real, was Fiktion? Denn ohne Zweifel hat Storm hier beides kombiniert und weiß auch detailreich über Kunstwelt und NS-Zeit zu berichten. Ja, „berichten“ trifft es vielleicht besser als jedes andere Wort: Oftmals wirkt Storms Stil etwas distanziert, was aber ganz gut passt, denn es scheint ihm auch um Wissensvermittlung zu gehen. Ohnehin wollte Storm m. E. sehr vieles, weshalb manchmal der rote Faden zu fehlen scheint bzw. sich Längen ergeben.
Wer „bloß“ einen Krimi lesen will, sich aber nicht für Kunst und NS-Zeit respektive Beutekunst interessiert, sollte die Finger von diesem Buch lassen. Wer sich aber für das Thema interessiert und dazu etwas lesen will, eingebettet in eine Krimihandlung (stets unter der Prämisse, selbst „sortieren zu müssen“, was real sein könnte), den dürfte das Buch gut unterhalten.