Wüste aus Beschreibungsschnipseln, gegen Ende too much

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Leigh Bardugos Reihenauftakt und Fantasythriller „Das neunte Haus“ (Alex Stern Band 1) wird in der LeserInnenwelt mit großer Begeisterung gefeiert. Dieser Begeisterung kann ich mich beim besten Willen nicht anschließen.

Leigh Bardugo ist bekannt dafür, sich innerhalb ihrer Plots lange bedeckt zu halten, um am Ende mit der einen oder anderen Überraschung aufzuwarten. Dieser Plan ging für mich dieses Mal absolut nicht auf. Während Zweidrittel der Handlung unter der Last von Rückblenden und Hintergrundinformationen nicht in Fahrt kommt, fühlte ich mich im letzten Drittel nur so von Wendungen und dramatischen Spitzen überrollt. Es nahm gar kein Ende mehr.

„Das neunte Haus“ soll düsterer und erwachsener sein als alles, was Bardugo bis dato geschrieben hat. Ich meine, sie hat sich nicht wirklich weit von der Jugendfantasy entfernt. Unter der harten, versifften Oberfläche (sexueller Missbrauch, brutale Rituale, Drogen, Korruption und Mord) schlummert meines Erachtens immer noch das typische Young Adult. Gerade die jugendlich-rotzige Art von Protagonistin Alex Stern und leise romantische Töne dürften viele ältere Jugendliche ansprechen. Gleichzeitig blickt Bardugo kaum über Yales Tellerrand hinaus, so dass ihre großangelegte magische Verschwörung schnell zur üblichen Campus-Fantasy schrumpft, statt die Welt groß und komplex erscheinen zu lassen. Die meisten Nebenfiguren wirken flach, manche ärgerlich unreif: Es grenzt an ein Wunder, dass Yale seine magischen Machenschaften so lange geheim halten konnte bei der Menge an Flitzpiepen, die hier rumlungern und ungefähr so unauffällig sind, wie der Elefant hinterm Farn.

Aber zur Handlung: Alex Stern heißt eigentlich Galaxy Stern. Die junge Frau kann Geister sehen. Und sie weiß: Nicht alle Geister sind nett. Nach einer besonders schlimmen Erfahrung mit der Anderwelt, ist sie in die Drogenszene abgerutscht. Doch sie hat Glück: Yales Dekan wird auf sie aufmerksam. Alex‘ paranormale Fähigkeit macht sie interessant für das Haus Lethe, eine geheime Verbindung, die acht Studenten-Gruppierungen kontrolliert. Diese wirken – auf Geheiß der Reichen und Mächtigen – unterschiedliche Magie. Börsenkurse aus den Eingeweiden von lebenden Menschen lesen? Wetterzauber? Kein Problem für die Elite von Morgen. Der attraktive Darlington nimmt Alex unter seine Fittiche und wird ihr Mentor. Dann geschieht ein Mord, Darlington verschwindet und Alex ist auf sich alleine gestellt. Sie stößt auf seltsame Zusammenhänge zwischen dem Mord und der Geschichte Yales.

Ich will nicht behaupten, die Story sei durchweg langweilig. Es finden sich durchaus spannende Szenen. Und gegen Ende ergeben etliche Informationen und Rückblenden auch Sinn. Zumindest, wenn man bis dahin nicht viele Details wieder vergessen hat, weil man streckenweise den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen meint. Zu ausschweifend schreibt Bardugo anfangs an dem Mordfall vorbei. Halbherzig streut sie magische Elemente, Alltagsschnipsel und biografische Details ein und enthält den LeserInnen bewusst Wissen vor, so dass es schwer fällt, die Figuren einzuschätzen. Für mich wurde die Geschichte um ein Vielfaches interessanter, als Bardugo sich endlich tiefergehend mit Galaxys Zeit in der Drogenszene befasste.

Der Weckruf für die Geschichte ertönt jedoch zu spät und dann leider zu laut und ausdauernd. Gegen Ende zieht Bardugo das Handlungsnetz enger zusammen, baut Twists und Action ein. Und ich bin wieder nicht ganz zufrieden. Zuviel strömt plötzlich auf mich ein. Ich werde das Gefühl nicht los, ewig hingehalten worden zu sein, nur damit ich jetzt ehrfürchtig über die Finten und Verknüpfungen staune. Das allerdings gelingt mir nicht: Die Figuren hängen bis zuletzt zu starr in der Struktur des Buches, statt das Buch mit Leben zu füllen. Und wenn ich mich frage, ob mich ihr weiteres Schicksal ernsthaft interessiert, muss ich leider sagen: Mein Interesse ist verschwindend gering.

Fazit: Unausgewogener Urban-Fantasy-Thriller mit einigen fesselnden Momenten und interessanten Ideen. Meiner Meinung nach zu inkonsequent für die erwachsene Leserschaft verfasst und zu stark konstruiert. Knappe drei Punkte.