Russische Revolution - Fakten und Fiktion
Das Philosophenschiff gab es wirklich. In Wahrheit waren es mehrere Schiffe, die missliebige russische Intellektuelle 1922 außer Landes bringen sollten. Trotzki verkündete dazu: „Und ich hoffe, dass Sie bereit sein werden, unsere vorausschauende Humanität anzuerkennen.“
Köhlmeier erzählt eine fiktionale Geschichte und tut so, als sei sie wahr. Er erfindet eine berühmte hundertjährige Architektin, die ihn beauftragt, ihre wahre Geschichte zu schreiben. Ein Vexierspiel! Sie erklärt ihm: „Ich weiß, dass Sie Dinge erfinden und dann behaupten, sie seien wahr. […] Was niemand weiß, das sollen Sie schreiben, ein Schriftsteller, dem man nicht glaubt, was er schreibt.“ Zuweilen erzählt sie ihm Dinge neu. Er hat sich erkundigt, war in der Nationalbibliothek. Ein neuer Anlauf. Die Wahrheit kann vielgestaltig sein.
Die Stimme der Architektin wirkt auch dann lakonisch, wenn sie von den schlimmsten Dingen berichtet, die sich während der Russischen Revolution zugetragen haben. Von der Lächerlichkeit der Tscheka, die Naturgedichte analysiert, weil man hinter jedem beschriebenen Baum Konterrevolution vermutet, von der Angst, von Hinrichtungen, vom Hunger. In einem Park wird getanzt. „Das war Glück, das war eindeutig Glück! Da sieht man das alles einen Nachmittag lang und riecht und hört und tanzt und ist fröhlich und grinst noch auf dem Heimweg in sich hinein, und dabei steigt man über tote Menschen. […] Die Füße melden nicht ins Hirn hinauf, worüber sie steigen.“
Über viele Tage ist der Schriftsteller bei ihr zu Gast in Wien und erfährt die Geschichte ihrer Jugend inmitten der Russischen Revolution, insbesondere der Schiffspassage in der dritten Klasse eines Luxusdampfers nach Deutschland. Immer wieder findet man Parallelen zum Heute, etwa die Angst der Schiffspassagiere – aus ihrem Heimatland vertrieben, in Deutschland nicht freundlich begrüßt – oder auch die Geschichte, die der Protagonistin auf dem Schiff erzählt wird: vom Zaren Pawel I., der die russische Paranoia erfunden habe. Er soll sich einen Tisch zimmern lassen haben, „gut acht Meter lang, an dem empfing er seine Gäste, immer nur einen, er auf der einen Seite des Tisches, der Gast auf der anderen.“
Ich habe den Roman sehr gern gelesen, einiges über die Russische Revolution und das Silberne Zeitalter der russischen Dichtung erfahren. Nur die Sache mit Lenin und später dann auch Stalin, die auf dem Schiff auftauchen, das war mir doch dann zu viel „magischer Realismus“.
Köhlmeier erzählt eine fiktionale Geschichte und tut so, als sei sie wahr. Er erfindet eine berühmte hundertjährige Architektin, die ihn beauftragt, ihre wahre Geschichte zu schreiben. Ein Vexierspiel! Sie erklärt ihm: „Ich weiß, dass Sie Dinge erfinden und dann behaupten, sie seien wahr. […] Was niemand weiß, das sollen Sie schreiben, ein Schriftsteller, dem man nicht glaubt, was er schreibt.“ Zuweilen erzählt sie ihm Dinge neu. Er hat sich erkundigt, war in der Nationalbibliothek. Ein neuer Anlauf. Die Wahrheit kann vielgestaltig sein.
Die Stimme der Architektin wirkt auch dann lakonisch, wenn sie von den schlimmsten Dingen berichtet, die sich während der Russischen Revolution zugetragen haben. Von der Lächerlichkeit der Tscheka, die Naturgedichte analysiert, weil man hinter jedem beschriebenen Baum Konterrevolution vermutet, von der Angst, von Hinrichtungen, vom Hunger. In einem Park wird getanzt. „Das war Glück, das war eindeutig Glück! Da sieht man das alles einen Nachmittag lang und riecht und hört und tanzt und ist fröhlich und grinst noch auf dem Heimweg in sich hinein, und dabei steigt man über tote Menschen. […] Die Füße melden nicht ins Hirn hinauf, worüber sie steigen.“
Über viele Tage ist der Schriftsteller bei ihr zu Gast in Wien und erfährt die Geschichte ihrer Jugend inmitten der Russischen Revolution, insbesondere der Schiffspassage in der dritten Klasse eines Luxusdampfers nach Deutschland. Immer wieder findet man Parallelen zum Heute, etwa die Angst der Schiffspassagiere – aus ihrem Heimatland vertrieben, in Deutschland nicht freundlich begrüßt – oder auch die Geschichte, die der Protagonistin auf dem Schiff erzählt wird: vom Zaren Pawel I., der die russische Paranoia erfunden habe. Er soll sich einen Tisch zimmern lassen haben, „gut acht Meter lang, an dem empfing er seine Gäste, immer nur einen, er auf der einen Seite des Tisches, der Gast auf der anderen.“
Ich habe den Roman sehr gern gelesen, einiges über die Russische Revolution und das Silberne Zeitalter der russischen Dichtung erfahren. Nur die Sache mit Lenin und später dann auch Stalin, die auf dem Schiff auftauchen, das war mir doch dann zu viel „magischer Realismus“.