Tod im Regen

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buecherfan.wit Avatar

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Ein festlich gekleidetes junges Mädchen läuft Autofahrer Bohrmann frühmorgens an der A9 Richtung Berlin ins Auto und stirbt. Schon bald stellt sich heraus, dass sie schon vorher erheblich verletzt gewesen sein muss, und auf einem Rastplatz in der Nähe finden sich Blutspuren. Es gibt Reifenspuren auf dem Pannenstreifen und im Gras. Zeugen haben ein Auto warten und mit quietschenden Reifen wegfahren sehen.

Ermittlerin Franza Oberwieser, ihr Freund und Kollege Felix Herz und der junge Kollege Arthur haben es mit einem schwierigen Fall zu tun, zumal die Identität der Toten eine ganze Weile unbekannt ist. Niemand vermisst sie. Franza verspricht dem toten Mädchen, ihren Tod aufzuklären. Obwohl sie ihren Beruf schon lange ausübt, lässt ein solcher Fall sie nicht kalt. Sie macht sich außerdem große Sorgen um ihren Sohn Ben, der am selben Tag verschwindet und nicht mehr erreichbar ist. Auf Grund von kursiv gedruckten Rückblenden weiß der Leser schon lange vor den Ermittlern, dass das tote Mädchen Marie und Franzas Sohn Ben einander kannten, eine Liebesbeziehung und sogar Zukunftspläne hatten. Im Zuge der Ermittlungen kommen viele Geheimnisse zum Vorschein, gibt es mehrere Verdächtige - Franza verdächtigt vorrübergehend sogar ihren Liebhaber Port und ihren eigenen Sohn, irgendwie in die Sache verwickelt zu sein.

Der Österreicherin Gabi Kreslehner ist ein eindrucksvoller Debütroman gelungen, der durch die raffiniert konstruierte Handlung - ich habe den Täter jedenfalls nicht erraten - und die sorgfältige Charakterzeichnung der Figuren besticht. Die Protagonisten sind nicht eindimensional, sondern runde, komplexe Figuren mit Brüchen und Schwächen und einer Vielzahl von persönlichen Problemen. Es gibt nirgendwo eine heile Welt, nicht nur da, wo Verbrechen geschehen. Da ist nicht nur schwarz und weiß, sondern eine Grauzone, wo jeder Geheimnisse hat, wo betrogen und gelogen wird, und schlimmeres passiert. So ist folgerichtig auch das Opfer kein unschuldiges junges Mädchen, dem durch widrige Umstände etwas Furchtbares widerfährt. Erst als die Ermittler ihren familiären Hintergrund in der Vergangenheit und ihre gegenwärtigen Lebensumstände erforschen, finden sie heraus, wie alles zusammenhängt.

Die Figur der Franza Oberwieser ist ebenfalls hervorragend gelungen. Sie ist sympathisch, tüchtig in ihrem Beruf, kann gelegentlich sehr vulgär sein, aber weist vor allem eine ungewöhnliche Sensibilität auf. Sie ist zu großer Empathie fähig, wenn es um die Opfer geht und hat ein ganz besonderes Verhältnis zum Regen, dessen Geruch sie noch immer genießt. Die Autorin lässt sie an die “Magie des Juniregens” denken, die für sie seit ihrer Kindheit besteht. Nicht zufällig trägt der Roman den Titel “Das Regenmädchen”, wobei Regen eine durchaus ambivalente Rolle spielt. Regen ist Symbol für Wachstum - ohne Wasser wächst in der Natur nichts -, und für Franza galt das in ihrer Kindheit auch für Menschen. Sie erinnert sich noch immer an den Kinderspruch “Lass mich wachsen. Lass mich wachsen.” (S. 9) Auf der anderen Seite ist Regen in diesem Roman untrennbar mit Tod verknüpft.Wann immer jemand zu Tode kommt - und das gilt für die Vergangenheit wie für die Gegenwart - regnet es.

Nicht nur bei der Beschreibung des Regens oder von diversen Gerüchen - Franza gibt ihrem Liebhaber den Namen Port, weil er für sie nach Portugal riecht - bedient sich die Autorin einer metaphernreichen poetischen Sprache, wie sie für einen Kriminalroman ungewöhnlich ist. Die sprachliche Qualität macht neben der sorgfältigen Charakterzeichnung und der raffiniert aufgebauten Handlung den besonderen Reiz dieses zudem noch spannenden Romans aus - ein wirklich gelungener Erstlingsroman.