High Fantasy – im wahrsten Sinne des Wortes

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Dass Tad Williams eine Inspirationsquelle für einige seiner Kollegen war bzw. ist, dürfte außer Frage stehen. Doch manchmal ändern sich Dinge ja auch – wie etwa der Umstand, dass Fantasy früher regelmäßig auf meiner literarischen Speisekarte stand, heute dagegen nicht mehr. Davon bin ich für die Lektüre von „Reich der Grasländer …“ abgewichen – gab es bei dieser „Nahrungsumstellung“ Unverträglichkeiten?

Nun, zunächst musste man sich mal wieder daran gewöhnen, einen so dicken Schmöker in der Hand zu halten. Böse Zungen würden dem Verlag Geldschneiderei unterstellen, dass er die geplanten Bände in einzelnen Büchern verlegt; weniger böse Zungen würden sagen: Gut gemacht, bei mehr als 1000 Seiten hätte ich sonst Butterbrotpapier blättern müssen. Kommen wir doch mal kurz zur Handlung (wie umreißt man 700 Seiten so kurz, dass man eine Idee bekommt, aber nicht alles verrät?):

Eigentlich herrscht Frieden in Osten Ard unter Königin Miriamel und König Simon und das schon eine ganze Weile. Doch nicht zuletzt das Wiedererwachen der Nornenkönigin Utuk’ku und der bevorstehende Einmarsch von Elbenarmeen stellt die Königreiche und ihre Herrschenden bzw. einflußnehmenden Handelnden vor große Probleme, vor allem Prinz Morgan, der im magischen Wald Aldheorte umherirrt und diversen Gefahren ausgesetzt ist … Glücklicherweise sind die Feinde Osten Ards jedoch nicht so einig, wie sie sein müssten, um eine von vornherein unbesiegbare Gefahr darzustellen. Wird man Allianzen schmieden können, um sich zu retten? Wird es Osten Ard gelingen, sich zu verteidigen? Das erfährt man in diesem Band noch nicht – es ist ja erst der erste Band der Grasland-Chroniken.

Williams schafft einmal mehr ein Panoptikum von Figuren, das seinesgleichen sucht und ein wenig einer Schachpartie gleicht. Seine Figuren kämpfen gegen Bösewichte, ihre eigenen Dämonen und auch für das Gute. Er lässt aus zahlreichen ineinanderverschlugenen Erzählsträngen ein großes, fast schon übermächtiges Ganzes enstehen: Weltenbau par Excellence. Man kann sicher sein, dass kleine Details, die man zunächst überliest, viele Seiten später wieder relevant werden. Kennt man – wie ich nach längerer Fantasy-Abstinenz – die Vorgängerbände nicht, ist es nicht leicht, dem Geschehen zu folgen (wer fällt da gleich wem in den Rücken?!) und vermutlich erschließt sich einem die Gesamtheit bzw. Komplexität der Geschichte nur, wenn man die Vorgängerwerke kennt. Obwohl Williams wirklich ein brillanter Geschichtenerzähler ist, liest sich das Buch nicht gerade an einem Abend, entwickelt aber einen Sog und zieht einen hinein in die Welt Osten Ards. Einziges Manko: Wer mit Cliffhangern nicht umgehen kann, sollte mit der Lektüre warten, bis auch der Folgeband erschienen ist.