Die Trauer um die Vergänglichkeit

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katrinb Avatar

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„Das Restaurant der verlorenen Rezepte“ nimmt seine Leser*innen mit auf eine kulinarische Reise nach Kyoto. Hier führen der verwitwete Nagare und seine Tochter Koishi ein ganz besonderes Restaurant. Nagare kocht für seine Gäste Gerichte, die diese irgendeinmal gegessen haben und mit denen sie besondere Erinnerungen verknüpfen. Dazu muss sich Nagare aber erst einmal auf die Suche nach den Rezepten begeben, beispielsweise dem Rezept für die Nudelsuppe, die die verstorbene Ehefrau eines Kunden immer für ihn gekocht hat. Wenn der Kunde schließlich das Gericht genießen darf, ist das wie eine Katharsis für ihn und er kann mit diesem unbewältigten Kapitel seines Lebens abschließen.
Das Buch ist in sechs Teile gegliedert, die sich jeweils um ein bestimmtes Gericht und eine Person mit einer ganz besonderen Geschichte drehen.
Der Autor versteht es meisterhaft, seine Leser*innen mit in die Kultur der japanischen Küche einzuführen. Man ist fasziniert von der Beschreibung der Zutaten, der Kochtechniken, der Zusammenstellung der Menüs und man bekommt eine Ahnung von der Raffinesse der japanischen Küche – auch wenn es sich bei den Gerichten oft um ganz einfache Hausmannskost handelt. Man kann förmlich die Aromen und Texturen der Speisen nachempfinden und sich direkt nach Kyoto versetzt fühlen.
Es sind aber nicht nur die kulinarischen Details, die dieses Buch zu etwas ganz Besonderem machen. Es sind vor allem die anrührenden Geschichten und die zarten Beziehungen zwischen den Charakteren, die dieses kleine Buch aus der Masse herausheben. Die Geschichten drehen sich um Verlust, verpasste Gelegenheiten und die leise Trauer über die Vergänglichkeit – ein Grundelement der japanischen Ästhetik. Die warmherzige, leicht melancholische Stimmung des Buchs findet in der ausgezeichneten Übersetzung eine perfekte Umsetzung.
Fazit: Ein kleines, feines Buch, das dem Leser viel von der japanischen Kultur vermittelt. Wer zwischen den Zeilen zu lesen versteht, wird hier mit einem außergewöhnlichen Lesegenuss belohnt.