Eine kulinarische Reise durch Japan

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christina19 Avatar

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Hinter einer unscheinbaren Fassade in der Shōmen-Straße in Kyoto verbirgt sich die Kamogawa Shokudō. In diesem besonderen Restaurant gibt es keine Speisekarte, aber die Möglichkeit, verlorene Geschmäcke suchen zu lassen. Den Weg dorthin findet nur, wer die Dienste von Nagare und seiner Tochter dringend benötigt. Über das Jahr verteilt nehmen Gäste mit den unterschiedlichsten Geschichten die Hilfe der beiden in Anspruch.

Müsste ich dieses Buch in wenigen Worten zusammenfassen, wären es wohl diese: Eine kulinarische Reise durch Japan. Dabei ist „Das Restaurant der verlorenen Rezepte“ noch viel mehr.
Nagare und seine Tochter Koishi führen dieses besondere Lokal. In insgesamt sechs Kapiteln werden sie von ihren Kunden aufgesucht, die noch einmal ein Gericht essen möchten, das sie einst vor langer Zeit bekommen haben. Die Abschnitte folgen allesamt dem gleichen Ablauf, was monoton wirken kann, aber - wie ich finde - auch Ruhe in den Roman bringt.
Stets ist es Koishi, die einen Auftrag entgegennimmt und sich die Geschichten ihrer Gäste anhört. Da ist der Mann, der gerne das Nabeyaki Udon seiner verstorbenen Frau ein letztes Mal schmecken möchte. Und die junge Frau, die sich an die Spagetthi napolitan erinnert, die sie als Kind auf einer Reise mit ihrem nun dementen Großvater serviert bekam. Die Detektivarbeit übernimmt Nagare, seinerseits ehemaliger Kommissar. Um die gewünschten Geschmäcke nachkochen zu können, begibt er sich auf die Suche nach den Rezepten und bereist dabei verschiedene Regionen Japans. Er setzt sich mit der Herkunft seiner Lebensmittel auseinander und erklärt den Unterschied, den diese im Geschmack seiner Gerichte macht. Nagare gewährt außerdem Einblicke in die Zubereitungsart japanischer Leckereien. Nicht immer fiel es mir leicht, den Ausführungen zu folgen, da ich in der Geografie sowie der Küche Japans zu wenig bewandert bin. Durch diese Geschichte habe ich allerdings einiges über das Land im fernen Osten und seine Gepflogenheiten dazugelernt.
Was die Idee des Romans grundsätzlich anbelangt, halte ich es für sehr schwierig, wenn nicht gar ausgeschlossen, einen Geschmack, den eine fremde Person erinnert, genau nachkochen zu können. Doch anscheinend geht es darum gar nicht: Es ist Nagare selbst, der darauf hinweist, dass nicht nur die Zutaten und die Art der Zubereitung ein Gericht ausmachen. Stattdessen wirkt die Erinnerung an längst vergangene Zeiten wie ein Gewürz, das eine Mahlzeit besonders schmecken lässt. So versucht Nagare, seine Gäste in die Stimmung zu bringen, die herrschte, als sie ihr gesuchtes Gericht zuletzt zu sich nahmen. Er ist damit nicht nur Detektiv und Koch, sondern hilft seinen Kunden auch dabei, Erinnerungslücken zu schließen, führt Familien zusammen und verabschiedet seine Gäste - wie auch den Leser - schließlich mit einem positiven Lebensgefühl.