Adressen eines Lebens

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Die Protagonistin Doris ist bereits über 80 und pflegebedürftig. Wie einen Schatz hütet sie ihr rotes Adressbuch, das sie als Kind von ihrem Vater geschenkt bekam. Doch die meisten Namen darin sind bereits durchgestrichen, da die Personen längst verstorben sind. Doris ahnt, dass auch ihr Ende naht. Die Geschichten zu all diesen Namen will Doris jedoch für ihre Großnichte Jenny aufbewahren, die mit ihrer Familie in den USA wohnt, während Doris Schwedin ist. Und so beginnt Doris zu schreiben und nimmt uns als Ich-Erzählerin mit in ihre Vergangenheit.

Doris kam in Stockhom zwischen den Weltkriegen zur Welt. Als ihr Vater früh verstirbt, gibt Doris' Mutter sie kurzerhand bei einer reichen Dame mit nur 14 Jahren in Stellung. Ein hartes Leben, doch Doris hat Glück, denn ihre Arbeitgeberin zieht mit ihr nach Paris, wo Doris nach kurzer Zeit als Model entdeckt wird und sogar für Chanel arbeitet. Dennoch empfindet sie dieses Schicksal beinahe als noch härter. Der homosexuelle Maler Gösta wird in den ersten Pariser Jahren ihr einziger Vertrauter, bis ihr Allan begegnet. Er ist halb Franzose und halb Amerikaner und hält sich nur vorübergehend in Paris auf. Zwischen den beiden beginnt eine Liebesaffäre, bis Allan von einem Moment auf den anderen nach Amerika zurückkehrt, ohne ein Wort der Erklärung.

Auch Doris' unruhiger Lebensweg verschlägt sie in die USA. Ausgerechnet während des Zweiten Weltkrieges reist sie nach England, noch immer auf der Suche nach Allan, und kehrt schließlich nach Schweden zurück. Bis zu diesem Zeitpunkt bin ich der Geschichte mit großem Interesse gefolgt. Danach nimmt die Spannungskurve jedoch je ab und die Handlung wird irgendwie belangloser. Ich konnte Doris' Handlungen nicht mehr unbedingt nachvollziehen. Zunehmend rückt Jenny mit ihrer kleinen Tochter in den Mittelpunkt der Erzählung, denn die beiden machen sich in der Gegenwart auf nach Schweden, um Doris vor ihrem Tod noch einmal zu sehen. Die immer wiederkehrenden Besuche im Krankenhaus mit dem quengelnden Kind bei der frisch operierten Doris waren nicht unbedingt ein Lesevergnügen. Auch Jenny ist ein ehemaliges Model und ich habe mich gefragt, ob es in diesem Buch für Frauen auch andere Berufe gibt als Model oder Haushälterin. Leider kippt die Handlung zum Ende hin in Nicholas Sparks-artigen Kitsch ab. Wirklich schade, denn die von der Autorin aufgeworfene Frage "Hast du genug geliebt" ist durchaus bedenkenswert.
Erwähnt sei noch der schöne Umschlag, der das Buch zu einem Schmuckstück macht.