Amerikanische Geschichte wird lebendig

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miss marple 64 Avatar

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James McBride entführt seinen Leser in die 50er Jahre des 19.Jahrhunderts, sozusagen an die Schwelle des Amerikanischen Bürgerkrieges. In geschichtlicher Fiktion greift er das Leben John Browns, eines in Amerika bekannten Kämpfers für die Sklavenbefreiung, auf. Es gelingt ihm, die Zeit lebendig werden zu lassen, nicht zuletzt durch seine Hauptfiguren selbst. Hier steht an erster Stelle Henry, ein schwarzer Junge, der, nachdem sein Vater-auch ein Sklave- versehentlich bei einer Auseinandersetzung mit John Brown getötet wurde, von diesem „entführt“ wird. Für Brown ist dies eine Befreiung und er nennt Henry aus einem Mißverständnis resultierend, weil dieser äußerlich vor allem wegen seiner Kleidung wie ein Mädchen aussieht, Henrietta. Außerdem gibt er ihr den Spitznamen “Kleine Zwiebel“, da die Zwiebel für ihn und seinen Kampf ein Glücksbringer ist.
So begleitet Henry den schon fast fanatisch zu bezeichnenden Freiheitskämpfer auf seinem Weg durch Kansas und die angrenzenden Staaten. Fanatisch vor allem in seinem Glauben, denn in seinen Augen hat Gott ihn gesendet, um die Sklaven zu befreien. Die Ereignisse der Handlung folgen schnell aufeinander und sind so vielfältig, sodass eine gekürzte Inhaltswiedergabe kaum möglich ist.
Henry erleidet an seiner Seite Hunger, Kälte, sieht Gewalt, findet aber auch unter den Männern der kleinen „Armee“ von Brown Freunde wie z.B. dessen Sohn Frederick, bei dessen Ermordung er Augenzeuge ist, oder später seine Tochter Annie.
So schwer sich Henry an sein Mädchen-Sein gewöhnt, merkt er aber bald, dass es ihm auch einen gewissen Schutz in dieser sehr rauen und gewaltbereiten Umgebung bietet. Und an der Darstellung von Kämpfen mangelt es nicht im Buch. Auf der einen Seite gehört dies natürlich zur geschichtlichen Wahrheit der Fiktion, zieht sich jedoch auf der anderen Seite oft in die Länge. Das könnte vielleicht manchen Leser etwas abschrecken.
Jedoch gelingt es dem Autor auf der anderen Seite den Leser durch eine authentische Sprache am Text gefesselt zu halten, denn hier wird die Sprache des 19.Jahrhunderts lebendig und man fühlt sich erinnert an Leseerfahrungen mit „Tom Sawyer“ oder „Onkel Toms Hütte“. So wird die Zeit auch durch die Sprache verdeutlicht: rau, gewalttätig, wild, aber auch voller Mut, für eine Sache einzustehen.
Am Ende kommt es wie es kommen muss-für das erfolglose Anzetteln eines Sklavenaufstandes wird der über die Ländergrenzen hinaus gesuchte Brown 1859 gehängt. Aber auch das nicht ohne Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, denn er hatte viele Befürworter und Gegner.
Besonders gefallen hat mir, dass McBride die Geschichte aus Henrys Sicht erzählt, mit den Augen eines Kindes, aber, wie ich glaube, erst mit den Erfahrungen eines Mannes und mit zeitlichem Abstand zu den Ereignissen, denn als am Anfang des Buches das Auffinden des Tagebuches geschildert wird, erfährt der Leser, dass Henry scheinbar ein sehr langes Leben hatte. Den deutschen Titel finde ich passend, auch wenn der Roman an sich keine Tagebuchform hat, sind es doch Henry Shacklefords Aufzeichnungen, die das Geschehene überliefern.
James McBride setzt dem Altem Mann oder wie er oft von der Kleinen Zwiebel Old John Brown genannt wird, ein literarisches Denkmal, selbst bedankt sich der Autor am Schluss des Buches bei denen, die das Andenken an John Brown über die Jahre wachgehalten haben- an eine Gesetzlosen im Kampf gegen die Sklavenhaltung.