Interessante Einblicke ins vorkriegszeitliche Krakau

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lisaliestviel Avatar

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Ein wenig schwer fällt mir die Bewertung des Romans „Das verschlossene Zimmer“ von Rachel Givney schon. Denn das Buch entwickelte sich inhaltlich ganz anders als ich erwartet hatte und auch als der Klappentext verspricht. Zunächst einmal gefiel mir das Setting sehr gut. Krakau in Polen ist ein interessanter Handlungsort und auch der Zeitpunkt 1939, kurz bevor das Land besetzt wird, ist wirklich spannend gewählt. Gekonnt fängt die Autorin unterschiedliche Stimmungen und auch politische Denkweisen der Bürger:innen ein. Der hauptsächliche Fokus war dann aber doch anders als ursprünglich gedacht. Statt einer tiefgründigen Familiengeschichte, war die Handlung eine bunte Mischung aus verschiedensten Themen, wobei auch eine Liebesgeschichte recht viel Raum einnahm. Für meinen Geschmack hätte die Handlung inhaltlich fokussierter sein müssen, denn so hatte ich das Gefühl das Vieles angeschnitten, aber nicht alles zu Ende erzählt wurde. Ein weiterer großer Minuspunkt war für mich die Distanziertheit der Protagonist:innen. Emotional konnte mich die Erzählung, trotz der Dramatik nicht erreichen. Die Protagonist:innen blieben mir, bis auf wenige Nebenfiguren, bis zum Ende des Buchs fremd. Dies lag vor allem an ihrem oft wenig nachvollziehbarem Handeln. Marie ist zwar sympathisch, verhält sich aber obwohl sie eigentlich so intelligent ist, immer wieder wie ein dummes kleines Mädchen und verschließt ihren Blick vor den Problemen ihrer Zeit. Auch der Figur des Vaters fehlte es an Authentizität.

Der Schreibstil liest sich hingegen flüssig und sorgt dafür das man schnell durch die Geschichte kommt. Einige Ausdrücke, Beschreibungen und Formulierungen klingen in der heutigen Zeit zwar merkwürdig, passen aber durchaus in die historische Geschichte. Außerdem bietet das Buch inhaltlich interessante Einblicke in das gesellschaftliche Leben in Polen, sowie in die jüdische Glaubenspraxis. Diese detaillierten Szenen werteten die Handlung wirklich auf. Das überaus überraschende Ende konnte meine Meinung zum Buch, außerdem nochmals verbessern. Mit der darin enthaltenen Wendung hatte ich in der Tat überhaupt nicht gerechnet, wobei die Geschehnisse tatsächlich Sinn ergeben. Allerdings bleibt immer noch Einiges unerklärt, so dass man durchaus von einem offenen Ende sprechen kann. Alles in allem fällt mein Fazit also gemischt aus. Obwohl mich die Charaktere immer wieder zum Kopfschütteln gebracht haben, habe ich die Geschichte dennoch gerne gelesen. Deswegen vergebe ich 3 ½ Sterne,welche ich auf 4 aufrunde.