Langatmige und doch wieder interessante Geschichte mit nicht geahnter unrealistischer Wendung

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ice_flower Avatar

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Krakau im Jahr 1939: Marie sucht schon lange nach ihrer Mutter. Sie ist bei ihrem Vater Dominik aufgewachsen, der jegliche Hinweise auf ihre Mutter verschweigt und nicht mit ihr darüber reden will. Doch Marie kann keine Ruhe lassen und bricht sogar ins Schlafzimmer ihres Vaters ein. Wird sie sein Rätsel und das Rätsel ihrer Herkunft lösen können?
„Das verschlossene Zimmer“ stammt aus der Feder von Rachel Givney, die vor allem bis jetzt als Drehbuchautorin von verschiedenen Serien (z.Bsp. McLeods Töchter), bekannt geworden ist. Das Cover des Buches hat mich neugierig gemacht und der Klappentext dazu, denn ich finde Familiengeheimnisse spannend. Allerdings kann ich nun nach der Lektüre des Buches sagen, dass der Klappentext eigentlich nur einen kleinen Teil des tatsächlichen Inhalts wiedergibt und vieles tatsächlich anders ist als vermutet und er damit auch in die Irre führt und kritische Stimmen durchaus ihre Berechtigung haben. Dadurch beginnt das Buch bereits zu polarisieren, da vieles wohl anders kommen wird, als der geneigte Leser zunächst glaubt. Für mich persönlich ist bereits die ganze Geschichte äußerst komplex, interessant, aber auch gleichzeitig verwirrend. Das Setting dagegen finde ich überaus gut gewählt, am Vorabend des 2.Weltkriegs wird bereits im Buch die düstere und angstvolle Stimmung gut eingefangen. Die Sprache im Buch ist gut verständlich, dafür der Schreibstil eine Katastrophe. Ich mag Rückblenden oder verschiedene Teile einer Geschichte, die sich dann zu einem Ganzen zusammenfügen. Dies ist hier ebenfalls geschehen und wird auch ordentlich mit Ort und Datum versehen. Allerdings ist es wirr, selbst innerhalb der Kapitel, und folgt keinem komplexen Denkmuster. Darüber hinaus wird die Geschichte zäh, da sie mit Beiwerk ausgefüllt wird, was teilweise nicht notwendig gewesen wäre. Lange Zeit wartet man, dass Marie dem Rätsel näherkommt, stattdessen passieren ganz andere Dinge und lange Zeit plätschert die Geschichte vor sich hin und es geht überhaupt nicht um das eigentliche Thema. Trotzdem bleibt es interessant, die Geschichte weiter zu verfolgen und endlich auf des Rätsels Lösung zu stoßen. Die Kapitelüberschriften dagegen klingen albern in meinen Ohren, z. Bsp. „Ich hatte mal ein Pferd wie Sie“ (Kap.9). Allgemein bin ich kein Fan von diesen eher ironischen Kapitelüberschriften. Auch da polarisiert das Buch also immer weiter.
Die Protagonistin des Buches, Marie, ist eine intelligente junge Frau und möchte Medizin studieren- allerdings verhält sie sich nicht intelligent. Aus der Laune ihrer großen Liebe heraus konvertiert sie zum Beispiel spontan zum Judentum. Ist das noch glaubwürdig? Auch so wirkt Marie spröde und ziemlich unscharf und äußerst naiv und gutgläubig – weder mag man sie, noch hasst man sie. Sie entwickelt sich als Charakter eher wenig weiter. Für mich bleibt sie absolut nicht greifbar. Auch das viel angedeutete Familiengeheimnis des Buches kommt bei mir komisch an. Einerseits auf jeden Fall anders als erwartet, einerseits absolut unglaubwürdig. Genauso verhalten sich die anderen Charaktere. Nicht greifbar - nicht dazu geneigt, dass der Leser Empathie empfindet, allerdings muss man sie auch nicht hassen.
Je länger ich über das Buch nachdenke umso widersprüchlicher wird es insgesamt. Es ist ein ständiges Hin und Her einerseits von Fakten, andererseits von Gefühlen und unfassbaren Vorkommnissen der Vergangenheit. Deshalb weiß ich ehrlich gesagt nicht, ob ich das Buch mögen soll oder nicht – genauso, wie ich das mit der Protagonistin nicht weiß.
Mein Fazit: Ich bin in meiner Bewertung hin und her gerissen und habe mich daher für 3 von 5 Sternen entschieden. Das Buch polarisiert extrem, selbst in seinem gesamten Geschichtsverlauf. Ich habe schon lange nicht mehr ein gleichzeitig so durchwachsenes Buch als auch trotzdem interessantes Buch gelesen. Es gab interessante Phasen, es gab langwierige Phasen. Eine klare Leseempfehlung würde ich daher nicht direkt aussprechen, es sollte jeder selbst seine Erfahrung mit dem Buch machen, wenn es interessiert.