Liebe in schweren Zeiten

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april1985 Avatar

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An Rachel Givneys Roman hatte ich sehr große Erwartungen. Und auch wenn diese nicht alle erfüllt wurden, kann ich am Ende doch sagen, dass ich ein aufwühlendes, durch den zeitlichen Rahmen oftmals erdrückendes und sehr spannendes Buch gelesen habe.

Es ist das Jahr 1939. Die 17-jährige Marie lebt mit ihrem Vater, dem angesehenen Arzt Dominik Karski in Krakau. Während die Menschen sich für den bevorstehenden Angriff der deutschen Nationalsozialisten auf Polen rüsten, hat Marie einen großen Herzenswunsch. Sie möchte Medizin studieren, doch ein Studium ist Frauen untersagt. Auch Maries Vater würde seine Tochter in diesen unsicheren Zeiten lieber verheiratet sehen. Und dann ist da auch noch Maries Sehnsucht nach ihrer Mutter, die sie nie kennen lernen durfte. Marie beginnt Nachforschungen anzustellen und stößt dabei auf ein kleines, verstecktes Kästchen in dem stets verschlossenen Zimmer ihres Vaters. Welche Geheimnisse hütet Dominik Karski? Warum redet er nie über Maries Mutter? Und wird es Marie gelingen ihren Traum vom Medizinstudium zu verwirklichen?

Rachel Givney hat eine fesselnde, sehr emotionale und wendungsreiche Familiengeschichte zu Papier gebracht. Das Buch liest sich wunderbar leicht und flüssig und auch der Spannungsbogen ist durchgehend hoch.

Die Geschichte spielt in zwei Zeitebenen, die sich abwechseln. Während wir in der Hautpthandlung Marie bei ihren Nachforschungen begleiten, lernen wir in einem zweiten Erzählstrang die junge Helena Kolikov kennen, welche in den 1920er Jahren als Dienstmädchen in der Apotheke von Dominik Karskis Vater arbeitet. Schnell wird deutlich, um wen es sich bei Helena handelt, umso überraschter war ich von den zahlreichen Wendungen, welche die Handlung genommen hat. Gerade die Rückblenden in die Vergangenheit hatten eine unglaubliche Sogwirkung auf mich, haben sie doch das Rätsel um das mysteriöse Verschwinden von Maries Mutter nach und nach gelüftet. Dieser Teil der Geschichte konnte mich richtig mitreißen, hat mir aber auch emotional einiges abverlangt. Ich muss allerdings auch sagen, dass es mir im Gesamten etwas zu viel an dramatischen Ereignissen war. Rachel Givney bringt unter anderem das Thema des sexuellen Missbrauches auf. Meines Erachtens wäre die Handlung auch gut ohne diese Thematik ausgekommen.
Überhaupt hat Rachel Givney einfach zu viel gewollt und das Buch mit zu vielen Nebenhandlungen vollgepackt, die es nicht gebraucht hätte. Die Rahmenhandlung rund um Maries Suche nach ihren Wurzeln war an sich schon packend genug.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft Marie. Leider konnte ich ihre Bestrebungen und sehr naiven Gedanken oft nicht nachvollziehen. Marie sieht die drohende Gefahr nicht und handelt in meinen Augen zu blauäugig. Trotz aller Warnungen konvertiert sie der Liebe wegen zum Judentum und heiratet ihren Freund aus Kindertagen Ben Rosen. Und während unter den Menschen eine Aufbruchstimmung herrscht, tritt Marie spontan eine Reise an, um ihre Recherchen voranzutreiben. So wurde nicht Marie, sondern Helena Kolikov meine heimliche Heldin dieses Romans.

Trotz meiner Kritik habe ich 'Das verschlossene Zimmer' unglaublich gerne gelesen. Viele Wendungen habe ich nicht kommen sehen, mit Helena habe ich so richtig mitgefiebert und die Enthüllungen zum Schluss haben mir schier den Boden unter den Füßen weggezogen.

Wenn du gerne Familiengeheimnisromane eingebettet in einem aufwühlenden historischen Setting liest,  dann kann ich dir 'Das verschlossene Zimmer' sehr empfehlen.


Fazit

'Das verschlossene Zimmer' ist ein mitreißender historischer Familienroman aus der Feder von Rachel Givney. Mit Protagonistin Marie wurde ich zwar bis zum Schluss nicht wirklich warm und meines Erachtens war das Buch im Gesamten zu vollgepackt mit Nebensächlichkeiten, die Haupthandlung rund um das Familiengeheimnis und dessen Enthüllung haben mich aber unglaublich gefesselt.

Ich kann dir das Buch auf jeden Fall empfehlen, wenn du gerne Familiengeheimnisromane liest.