brillante Mischung aus Krimi und Erzählung

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mrs-lucky Avatar

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„Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ ist für mich das erste Buch von Joël Dicker, nach der Lektüre kann ich die Begeisterung über sein Erzähltalent verstehen und freue mich schon darauf sein Debüt „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ bald als Hörbuch genießen zu können.
Zum Inhalt: Vor 20 Jahren wurde in der amerikanischen Kleinstadt Orphea am Tag der Premiere des Theaterfestivals der Bürgermeister mit seiner Familie und eine Joggern vor seinem Haus erschossen. Dieser 4-fach Mord wurde unter anderem von Jesse Rosenberg und seinem Partner Derek Scott aufgeklärt, 20 Jahre später meldet sich die Journalistin Stephanie Mailer bei Jesse, die offenbar über andere Informationen verfügt. Bevor Jesse Rosenberg Details zu ihrem Verdacht erfahren kann, verschwindet sie spurlos. Als kurz darauf in Orphea eine weitere Leiche auftaucht, beginnt Jesse zu ahnen, dass tatsächlich mehr hinter der Geschichte steckt, er beginnt mithilfe seines alten Freundes und der Polizistin Anna Kanner, die neu in Orphea ist, den Fall neu aufzurollen, auch wenn er damit alte persönliche Wunden aufreißt.
Der Roman ist inszeniert wie ein Puzzlespiel mit vielen falschen Fährten, der Leser tappt über die Zusammenhänge und die tatsächlichen Tathergänge ebenso im Dunkeln wie die Ermittler. Die Kapitel wechseln zwischen verschiedenen Zeitebenen und unterschiedlichen Erzählperspektiven. Im Jahr 2014 zur Zeit der aktuellen Ermittlungen werden die Tage in einer Art Countdown zur Premiere der 20. Auflage des Theaterfestivals herunter gezählt, das eine Art roten Faden des Romans darstellt. Während manche Kapitel an eine Reportage erinnern, sind andere Abschnitte sehr persönlich gehalten oder lassen durch viele Dialoge das Geschehen lebendig werden.
Das Buch bietet eine brillante Mischung aus Krimi und Erzählung, es beschäftigt sich nicht nur mit der Lösung eines Mordfalls sondern karikiert auch das Leben und Sozialgefüge in der Kleinstadt Orphea, indem es in den Biographien einiger Bewohner zum Teil sehr skurril anmutende Begebenheiten und Entwicklungen zum Vorschein bringt. In seiner Überzeichnung und seiner Satire erinnert mich der Roman an Filme der Brüder Ethan und Joel Coen. Die Vielzahl an Charakteren ist anfangs verwirrend, es gibt am Ende des Buches eine Auflistung der wichtigsten Figuren, damit der Leser nicht den Überblick verliert.
Mir hat der Roman sehr gut gefallen, auch wenn der Autor in einigen Punkten den Bogen meiner Meinung nach etwas sehr überspannt hat. Kirk Harvey und sein Theaterstück habe ich mit der Zeit als nervtötend empfunden, die Auflösung der Geschichte hatte für mich ein paar Verwicklungen zu viel.