Flügel

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sago Avatar

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Die Vogelforscherin Len Howard, die Ende des 19. Jahrhunderts in England geboren wurde und 1973 starb, war mir bisher kein Begriff. In der Tat ist sie zu Unrecht in Vergessenheit geraten, da sie keine wissenschaftliche Ausbildung besaß und das Verhalten verschiedener Wildvögel nicht unter reproduzierbaren Bedingungen in einem Labor erforschte, sondern sie sich in ihrem natürlichen Umfeld so vertraut machte, dass sie ihr in ihr Haus folgten.
Zu Lebzeiten wurde ihr der Vorwurf gemacht, sie vermenschliche Vögel. Das war nicht der Fall, vielmehr erkannte Len, dass bestimmte Gefühle wie Freude und Trauer nicht allein Menschen vorbehalten sind. Damit hat mir das Buch aus dem Herzen gesprochen.
Für mich überraschend war, dass das Buch in Rückblicken Len lange während ihrer Kindheit und Jugend sowie während ihrer Londoner Karriere als Orchester-Geigerin begleitet. Erst in der zweiten Hälfte ihres Lebens wendet sich Len radikal ihrer wirklichen Leidenschaft, den Vögeln zu. Sie bezieht ein einsam gelegenes Haus auf dem Land. Menschen sind von da an nur noch ungern geduldete Gäste, da sie die Vögel in die Flucht schlagen. Mir persönlich haben beide Teile des Buches sehr gut gefallen, zumal die Autorin das Bild einer tief empfindenden, faszinierenden Frau in poetischen Bildern zeichnet:"Der Gedanke an Paul umgibt mich wie ein Geist, Anwesenheit des Abwesenden."..."Verlust heißt begreifen, dass dir nichts je gehört hat. Trauer heißt begreifen, dass die Hoffnung dahin ist, oder vielleicht noch nicht ganz begreifen."
Mich hat das Buch tief berührt, allerdings auch melancholisch gestimmt. Wer Tiere nicht liebt, wird leider auch durch dieses wunderbare Buch nicht verstehen, warum die Gesellschaft von Vögeln manchmal der der Menschen vorzuziehen sein kann.