Genial konzipiert, aber etwas lang (Hörbuchrezension)

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signalhill Avatar

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Ich habe Hanya Yanagiharas "Das Volk der Bäume" als Hörbuch auf 3 mp3-CDs, erschienen im HörbuchHamburg Verlag und gelesen von Gunter Schoß und Matthias Bundschuh, gehört. Das Hörbuch ist fast 18 Stunden lang und damit meines Erachtens etwas lang geraten, man hätte sich an einigen Stellen kürzer fassen können.

Zum Inhalt: Yanagiharas Roman beruht nicht auf einer wahren Begebenheit, lehnt sich aber an an den pädophilen Wissenschaftler Gajdusek, der - wie Perina im Buch - an einem indigenen Volksstamm forschte und den Nobelpreis bekam. Da die Autorin aber einen anderen Namen verwendet, kann wohl davon ausgegangen werden, dass z.B. die Beschreibung der Kindheit des Wissenschaftlers sowie die meisten anderen Teile des Buches reine Fiktion sind. Dennoch ist es verstörend, dass ein "Norton Perina" doch in Gajdusek wirklich existiert hat. Und Gajdusek war ein wirklich genialer Wissenschaftler, aber eben auch wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Und er brachte auch unzählige Kinder mit von den Inseln, auf denen er forschte.

Im Roman ist es der Wissenschaftler Dr. Norton Perina, dessen Leben detailreich dargestellt wird. Dabei steht immer die Frage im Raum: Kann Perinas Genialität gegen den Missbrauch aufgewogen werden? Kann sein Fehlverhalten durch seine Genialität entschuldigt werden? Die Frage muss hier doch mit einem ganz klaren 'nein' beantwortet werden - eigentlich dürfte man diese Frage gar nicht stellen - der Roman tut es dennoch.

Zur Konzeption des Romanes und zum Hörbuch, das von zwei Sprechern gelesen wird, muss ich aber sagen, dass mir diese recht gut gefallen haben. Dr. Norton Perina erzählt, aber er wird immer wieder von seinem besten Freund mit Einwänden oder zusätzlichen Informationen unterbrochen. Dies wirkt aber nicht störend, ganz im Gegenteil.

Das Hörbuch lässt sich als hochwertiges literarisches Werk gut hören, aber es ist trotzdem etwas lang. Normalerweise höre ich ca. zehnstündige Hörbücher an einem Wochenende, aber das ist mir bei 18 Stunden nicht gelungen. Wenn ich es dann länger zur Seite gelegt hatte, konnte ich schlecht wieder hineinfinden und musste weit zurück gehen. Dies fand ich etwas störend; die Autorin hätte sich etwas kürzer fassen können. Insgesamt gefiel mir "Das Volk der Bäume" aber vor allem, weil es sich von den meisten Hörbuchproduktionen sehr abhebt. Daher gibt es von mir 4 Sterne.