Genie oder Verbrecher?

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caro.booklover Avatar

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Die Autorin hat hier etwas wirklich Außergewöhnliches geschrieben. Der fiktive Roman basiert auf den Memoiren des Arztes und Forschers Norton Perina, der für seine Entdeckungen den Nobelpreis erhielt. Kommentiert werden diese Memoiren mittels Fußnoten durch einen treuen Mitarbeiter Perinas. Diese Kombination wirkt so realistisch, dass ich mich stellenweise daran erinnern musste, dass es keine echte (Auto-)Biographie ist. Der sprachliche Stil nimmt einen gefangen, entwickelt einen Sog und verursacht Gänsehaut. Man wähnt sich selbst im Dschungel, spürt die Luftfeuchtigkeit und das unwegsame Gelände. Die Beschreibungen sind sehr detailliert, manchmal scheint sich die Autorin darin zu verlieren. Für mich eine kleine Schwäche, da sich manche Passagen so in die Länge zogen. Die indigene Kultur ist faszinierend und wird glaubwürdig beschrieben. Auch hier musste ich mich zwischendurch daran erinnern, dass es dieses Volk nicht gibt. Die Autorin hat ihr Werk zwar an eine reale Person angelehnt, aber letztlich ist alles Fiktion. Diese ist aber so gut verpackt, dass man es wirklich für einen Forschungsbericht halten könnte. Da kommt nun ein Punkt, den ich nicht ganz so gut fand. Durch die gewählte Form, vor allem die Fußnoten, wirkt es an vielen Stellen eher trocken. Einige Fußnoten fand ich auch einfach überflüssig, sie haben mich eher in der Kontinuität des Textes gestört. Aber gut, die Autorin hat diese Art der Darstellung gewählt. Sie präsentiert uns damit die subjektive Sicht des wegen Kindesmissbrauchs verurteilten Perina. Die Kommentare seines treuen Mitarbeiters tragen in dem Zusammenhang nicht wirklich zur Objektivität bei. Im Gegenteil. Beide sind unzuverlässig, vieles ahnt man zwischen den Zeilen und weiß es aber doch nicht sicher. Die Argumentation des Täters ist zum Teil nachvollziehbar und doch immer abstoßend. Trotz der trockenen Passagen hielt mich die Frage, ob er es nun wirklich gemacht hat oder nicht, bei der Stange. Und ist seine wissenschaftliche Arbeit dadurch weniger wert? Wie geht man mit jemandem um, der ein Genie, aber auch ein Monster zu sein scheint? Kann man das trennen? Oder betrachtet man immer das Gesamtbild? Sehr spannende Fragen, die die Autorin mit diesem Buch aufwirft.

Fazit:
Am Ende bleibt für mich ein genial konstruiertes Gesamtwerk, das nicht wirklich spannend, aber sehr interessant ist. Sprachlich lohnt es sich in jedem Fall! Sensiblen Lesern würde ich allerdings eher abraten.