Highlight - 1. Teil der Trilogie

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lesemanege Avatar

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Schon der Titel ließ mich wundern und weckte meine Neugier, denn das Wort „Vorkommnis“ ist wohl keines des alltäglichen Sprachgebrauchs. Erwartet habe ich einen Roman der Geheimniskrämerei. Bekommen habe ich genau das Gegenteil.

In „Das Vorkommnis“ lernt eine Frau und Mutter unerwartet, ja aus heiterem Himmel, ihre ihr bisher unbekannte Halbschwester kennen. Der Umgang der namenlosen Ich-Erzählerin mit dem gelüfteten Familiengeheimnis steht im Mittelpunkt. Die Frage nach der Wirkung, die diese neue Frau auf bisher als sicher geglaubte Gewissheiten haben kann, bestimmt den inneren Dialog der Protagonistin mit sich selbst. Was ist wahr, was nicht? Was ist Realität, was Fiktion? Ihr ist nicht mehr klar, was wirklich passierte und was sie lediglich falsch erinnert, welche Vorstellung sie davon hat, wie sie sich verhalten hätte und wie sie sich tatsächlich verhalten hat. Nichts bleibt unausgesprochen, jeder Gedanke wird geteilt. Das Verständnis der Protagonistin von Familie wird durch das Vorkommnis in Frage gestellt. Überhaupt werden unglaublich viele Fragen aufgeworfen - an sich selbst, an die Welt - doch nicht immer gibt es eine Antwort. Beständig setzt sich die Ich-Erzählerin über Jahre mit dem Vorkommnis auseinander und erzählt dabei auch ein Stück DDR-Geschichte, die aber nicht im Vordergrund steht. Julia Schoch stellt Ratlosigkeit dar und die Frage danach, wie mit einer solchen Situation umzugehen ist, welch rationale wie irrationale Gedankengänge ein Mensch haben kann, dessen Selbstverständnis über die eigene Familie ausgehebelt wurde. Dabei erzeugt sie eine ganze besondere Dramaturgie, der sich zu entziehen nicht leicht fällt, weil sich die innere Zerrissenheit der Protagonistin mit jedem kleinteiligen Gedanken auf die Lesenden überträgt. Obwohl dies jederzeit möglich wäre, denn die einzelnen Szenen sind teils recht kurz gefasst und lassen dadurch leicht Raum, um über das Geschrieben zu sinnieren.

„Das Vorkommnis“ war für mich ein grandioser Auftakt dieser Trilogie und ließ mich in ungeduldiger Vorfreude auf den zweiten Teil zurück. Highlight!