Schöner Schreibstil mit wenig Handlung - nicht ganz mein Buch...

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lia48 Avatar

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INHALT:
Nach einer Vorlesung signiert eine Frau Bücher, als plötzlich eine Fremde auftaucht und meint, sie hätten denselben Vater.
Das kann doch nicht sein! Das muss ein schlechter Scherz sein! Da ist sie sich auch gemeinsam mit ihrer älteren Schwester, zu der sie länger keinen Kontakt mehr hatte, am Telefon einig.
Da könnte doch jeder kommen und diese Behauptung aufstellen!
Wäre da nicht dieses Gefühl in ihr, dass an der Sache etwas dran sein muss…
Schließlich hatte sie die Fremde sogar aus irgendeinem Reflex heraus umarmt! Sonst ist sie doch gar nicht so…
Und dann fällt ihr ein, dass es da mal ein Mädchen gab. Kurz nach ihrer eigenen Geburt hatte die Mutter den Zettel des Vaters entdeckt. Eine Quittung. Er hatte die Vaterschaft für ein Kind übernommen, das zur Adoption freigegeben worden war. Sie hatten eine Halbschwester…
Ich „fragte mich, wie ich sie hatte vergessen können. Auf welchem Wege geht einem das Wesentliche verloren, und warum?“

Als sie für einige Zeit nach Ohio reist, um dort an der Uni ein Seminar zu veranstalten, blickt sie in ihre Vergangenheit zurück. Erinnerungen an die Familie kommen hervor. Und immer wieder gelangt sie gedanklich bei der Fremden an.
Dabei wollte sie Deutschland eine Weile hinter sich lassen. Nach vorne blicken. Doch „immer gibt es etwas, das mich zurückzieht, der Vergangenheit zu, in einen Sumpf, dem ich vergeblich zu entkommen versuche.“
Wie die fremde Halbschwester wohl ist? Hat sie Ähnlichkeit mit ihr selbst? Ob sie sie schon lange beobachtet hatte? Wie war ihr Lebensweg verlaufen?


MEINUNG:
Zu Beginn ist mir direkt der schöne Schreibstil ins Auge gesprungen. Schon nach den ersten Seiten hat er mich gefangen genommen und wollte mich erst nicht mehr loslassen.
An der Protagonistin mochte ich vor allem ihre Angewohnheit, sich mit ihrer aktuellen Lebenssituation in der Literatur wiederzufinden und sich den Umgang damit anzuschauen.
Am Anfang gefiel mir dieses Buch und ich war gespannt, was es mit der vermeintlichen Halbschwester auf sich hatte…
Es dreht sich alles um diese eine Begegnung. Um alles davor und danach. Ein „Vorkommnis“, welches die Protagonistin aus der Bahn wirft. Sie muss immer wieder an den Moment zurückdenken...
War er überhaupt so, wie sie ihn noch im Kopf hatte? Hatte sie die Fremde wirklich so lange umarmt? Hatte sie selbst geschluchzt, oder spielte ihr Gedächtnis ihr einen Streich?
Sie fängt an, alles infrage zu stellen. Ihr ganzes bisheriges Leben.

Mit der Zeit war ich leider etwas genervt von ihr. Warum macht sie sich so viele Gedanken und spekuliert über die Fremde, deren Mutter, die Adoption und über ihre eigene Mutter, statt dass sie endlich zu den Menschen hingeht, mit ihnen spricht und ihnen ihre Fragen stellt?!?!? Ich hätte sie gerne durchgeschüttelt!
Bedauerlicherweise schweift sie außerdem immer wieder ab, was mich mit der Zeit ebenfalls gestört hat.
Mein Hauptkritikpunkt, bzw. der Grund, warum ich mich mit dem Buch nicht anfreunden konnte, war hauptsächlich ein anderer: Ich hatte nicht erwartet, dass das Buch so wenig Handlung haben würde. Gefühlt trat ich mit der Protagonistin fast das ganze Buch über, immer an der gleichen Stelle.
„Ich erzähle nur davon, was ihr plötzliches Auftauchen bei der Lesung bewirkt hat, ihre flüchtige Anwesenheit, die, von außen betrachtet, in der Realität, kaum mehr gewesen ist als ein Schatten, der vorüberhuscht.“ Das sollte man vor dem Lesen des Buches wörtlich nehmen!!
Denn es sind fast nur ihre Gedanken, die die Handlung im Buch ausmachen. Das war mir zu wenig. Ich dachte, ich würde noch mehr über die Fremde erfahren und es würde sich irgendetwas in irgendeine Richtung entwickeln. Dem war leider nicht so…

FAZIT: Ein Trilogie-Auftakt mit schönem Schreibstil, der jedoch kaum Handlung hat und mir dadurch zu sehr auf der Stelle trat. War leider nicht mein Buch… 3/5 Sterne!