Was anderes erwartet

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
nell liest Avatar

Von

Nach einer Lesung kommt eine fremde Frau zur Protagonistin und stellt sich als ihre Halbschwester vor. Sie hatte von deren Existenz bereits gewusst, sich aber keine Gedanken um sie gemacht, denn die Schwester wurde damals zur Adoption freigegeben. Sie beschäftigt sich auch nicht wirklich mit ihr. Ab und zu kommt der Gedanke an sie auf und die Frage, wie sie auf das Erscheinen reagieren soll. Sie spricht mit ihrer anderen Schwester und dem gemeinsamen Vater darüber, aber auch nur kurz.
Diese neue Schwester ist irgendwie präsent, dann aber auch wieder nicht. Es geht um die Vergangenheit der Protagonistin, um die Kindheit in der DDR, um das Verhältnis mit ihrer anderen Schwester und ihrer Mutter. Sie arbeitet einige Monate in den USA und entfremdet sich von ihrem Partner. Auch darum geht es. Und um Geheimnisse und Vertrauen; um Erinnerungen und was für einen Einfluss das Vergangene auf die Gegenwart hat.
Irgendwie hatte ich etwas anderes von „Das Vorkommnis“ von Julia Schoch erwartet. Mehr Schwesternbeziehungen, mehr von diesem neuen Verhältnis, sich entdecken, kennenlernen, das blitzt zwar immer wieder kurz auf, aber im Grunde ist es eher ein Zurückschauen, ein Erkunden der eigenen Vergangenheit. Zwischenzeitlich war es etwas zäh, für mich ist nicht genug passiert. Ein wenig zu viel Bauchpinselei der Protagonistin, die mir im Laufe des Buches immer unsympathischer wurde, irgendwie nervig, als wolle sie immerzu Zuspruch ernten für ihre absurden Gedankengänge. Hin und wieder war es interessant, manch gutes Bild wurde gezeichnet, aber das hat mir nicht gereicht. Es blieb mir alles zu wage, zu oberflächlich, obwohl Tiefe angestrebt wurde.
„Das Vorkommnis“ ist der Auftakt zu einer Trilogie und ich frage mich, ob die anderen Teile auch einen solchen Aufhänger haben, dann aber von was anderem handeln, ob mehr Entwicklung von statten geht oder im Grunde alles so bleibt.