Die Vermessung des Seekuh

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Das Wesen des Lebens schafft etwas Besonderes: Vor allem der erste Teil des Buches ist fast schon ein Abenteuerroman, der teilweise unglaublich spannend ist, gleichzeitig aber extrem ruhig erzählt wird. Der Fokus liegt nämlich nicht auf den abenteuerlichen Geschehnissen, sondern vielmehr auf den Forschungen Georg Wilhelm Stellers im Jahr 1741. Diese Forschungen bilden auch den Rahmen des Buches. Statt einer Vermessung der Welt, wie es sie bei Daniel Kehlmann gibt, haben wir hier die Vermessung der Seekuh. Wir begleiten eine Stellersche Seekuh beziehungsweise deren Überreste über einen Zeitraum von mehr als 250 Jahren. Nach Stellers Arbeiten gilt die Seekuh lange als verschollen. Erst 125 Jahre später begegnen wir ihr wieder, diesmal nicht in Kamtschatka, sondern in Alaska, das zum damaligen Zeit noch russisch war. Hier stehen nun erstmals zwei Frauen im Mittelpunkt des Geschehens, die Frau des Gouverneurs von Alaska sowie dessen an Fallsucht leidende Schwester Constance. Beide durchleben vor Ort widrige Umstände, was sie einander jedoch nicht näher bringt. Constance beteiligt sich an der weiteren Erforschung des mittlerweile ausgestorbenen Tieres. Der nächste Zeitsprung beträgt lediglich zwei Jahre, die geographische Distanz ist jedoch noch größer: nun wird in Helsinki ein Exemplar der Seekuh ausgestellt und wieder muss sich eine Frau in einer männerdominierten Welt durchsetzen. Im letzten Teil schließlich, im Jahr 1950, schwenkt der Fokus ein wenig weg von der Seekuh hin zu anderen bereits ausgestorbenen Arten wie dem Riesenalk und zum Tier- und Artenschutz allgemein.
Dem eingangs erwähnten ruhigen Ton bleibt das Buch durchweg treu. Dennoch wird es nie langweilig und hält immer wieder interessante Aspekte bereit. So hatte ich von der Stellerschen Seekuh im Gegensatz zum Riesenalk noch nie etwas gehört und war vor allem überrascht, dass ihr Lebensraum sich im Polarmeer befand und nicht in (sub-)tropischen Gewässern, wie der der noch lebenden Artverwandten. Erstaunlich fand ich auch die Einstellung der damaligen Zeit, nach der das Aussterben einer Art als unmöglich, ja gar als Blasphemie galt, da es einem göttlichen Plan widersprach. Man ging vielmehr davon aus, dass sich die entsprechende Art an einen unbekannten, eventuell sogar unterirdischen Ort zurückgezogen habe.
Für mich war Das Wesen des Lebens eine tolle, sehr bereichernde Lektüre, von der mir vieles in Erinnerung bleibt, nicht zuletzt die außergewöhnliche Danksagung.
Ich habe nur einen winzigen Kritikpunkt: Ich hätte gerne eine Karte im Buch gehabt, einfach um die Geschichte noch besser nachvollziehen zu können.