*kopfschüttel* (ratlos)

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wandablue Avatar

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Kurzmeinung: Mit viel Goodwill vier Punkte. Roman, der zentriert gehört hätte.

Weder der Arbeitstitel „Thanksgiving“ noch der veränderte Titel „Das wilde Leben der Cheri Matzner“ trifft den Inhalt dieses Romans, wobei „Thanksgiving“ wenigstens ein bisschen gepasst hätte.

Zudem suggeriert der Klappen- und/oder Rückentext einen heiteren Roman. Doch „Das wilde Leben der Cheri Matzner“ ist absolut nicht lustig, nicht einmal ansatzweise, sondern dramalastig, voller unglücklicher Leute, die, wenn sie einen Funken gesunden Menschenverstand gehabt hätten, nicht unglücklich hätten sein brauchen.

Die eigentlich tragische Figur dieses Romans, die aber insgesamt nicht besonders gut wegkommt, ist Cici, die Mutter von Cheri Matzner. Sie hat durch die Schuld ihres Mannes ihr Kind verloren und kann keine weiteren Kinder mehr bekommen. Sie fällt in eine tiefe Depression.

Bis hierher ist der Roman ganz in Ordnung und bietet viele gute Ansätze.

Man leidet mit der lebenslustigen und sexhungrigen Cici, die einen Vaterkomplex hat und die durch das panische und dumme Verhalten ihres Ehemannes daran gehindert wird, erwachsen zu werden. Doch das muss man bereits zwischen den Zeilen lesen. Ausgearbeitet wird es nicht. Ausgearbeitet wird gar nichts. Sondern es gibt jede Menge praller Szenen – wie im Film eben.

Vordergründig wechseln die Hauptpersonen, was ein Fehler ist in diesem Fall, hinüber zu Cheri, dem Baby, das der Ehemann von Cici ihr kauft. Von nun an ist die Handlung überkonstruiert und unglaubwürdig, von den Charakteren ganz zu schweigen.

Eigentlich geht es „nur“ um die Identitätssuche adoptierter Kinder. Aber was für ein Schwubbelschwurbel schreibt die Autorin drum rum! Unglückliche Liebe, unglückliche Ehe, aus diversen Gründen ständiges berufliches Scheitern, die Beziehung zu den Eltern kriegt Cheri auch nicht hin – warum reden die nicht mal miteinander wie erwachsene Menschen? Ein Gespräch um den runden Tisch und alles läuft anders. Doch die Autorin kann dieses vernünftige Verhalten nicht brauchen.

Cheri ist auch gar nicht rebellisch oder bricht auf lustige Weise aus dem Familienverband aus, wie man nach Buchbewerbung erwarten könnte, sondern sie ist einfach nur permanent auf der Suche nach entgangener Liebe und Anerkennung.

Nun gut, vergessen wir einmal für einen Moment den (teilweise) dummen Klappentext.

Obwohl die Autorin durchaus schreiben kann und sich der Roman süffig liest, ist er nicht aus einem Guß, sondern besteht aus einer Aneinanderreihung längerer dramatischen Szenen, die den Leser hin- und herschmeißen und sich im Film gut machen!

Ja, so macht man ein Drehbuch, aber so schreibt man keinen Roman.

Gerne würde ich die Charaktere im Einzelnen beschreiben und einen nach dem anderen auseinandernehmen. Aber damit wäre dann doch zuviel verraten.

Fazit: Der Roman liest sich durchaus gut runter, doch wieder einmal zeigt sich, dass Drehbuchautoren und Filmemacher nicht unbedingt auf Anhieb auch gute Autoren sein müssen (und es vielleicht auch nie werden). Für die Königskategorie:, „Anspruchsvolle Literatur/Belletristik“ reicht es dann auch nicht, doch in der Kategorie „Unterhaltung“ lasse ich wegen reichhaltiger Phantasie und der Schreibe vier Punkte übrig. Reine Unterhaltung aber - ist zweitklassig.

Kategorie: Unterhaltung
Verlag, Diogenes 2019