Sehr unterhaltsam, aber nicht so wild wie gedacht

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sapere_aude Avatar

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"Das wilde Leben der Cheri Matzner" ist - so viel darf man wohl vorwegnehmen - nicht ganz so wild wie erwartet, dafür aber nachdenklicher und reflektierter. Tracy Barone schildert in ihrem Debutroman das Leben, beginnend mit Geburt und Adoption von Cheri Matzner durch italienisch-amerikanische Eltern, die ihr eigenes Kind tragisch bei der fast zeitgleichen Geburt verloren haben. Sowohl die Tatsache der Adoption als auch die Familienkonstellation einer impulsiven, liebevollen italienischen Mutter und eines eher sachlichen, seine Frau und Tochter aber sehr liebenden Vaters werden Cheri ihr Leben lang prägen und zugleich über Jahre hinweg Ursache sein für ihre Handlungen und Entscheidungen. Im Raum steht zudem immer die Frage, inwiefern ihre leibliche, sehr autonome Mutter, die sie nach der Geburt im Krankenhaus zurückließ, doch für ihr Leben (mit-)prägend war.
Der deutsche Titel über das "wilde Leben" verweist insgesamt stärker auf den Schreibstil von Tracy Barone, der sehr packend ist, viel "Drive" hat und einen gewissermaßen durch das Buch zieht. Inhaltlich scheint der amerikanische Originaltitel "Happy Family" dagegen deutlich passender, obwohl natürlich spätestens seit Tolstoi (dessen bekanntes Zitat Barone ihrem Roman auch voranstellt) literarisch verbürgt ist, dass nicht das sich immer ähnelnde Glück von Familien, sondern vielmehr das sich jeweils unterscheidende Unglück einer Betrachtung wert ist. Somit sind es auch hier die Zwischentöne und die Brüche, die Cheri Matzner interessant und lesenswert machen. Insgesamt ein sehr lesbarer Roman, der das ewige Thema Familie auf interessante und zugleich unterhaltsame Weise neu hinterfragt.