Wie wir unsere gedankliche Realität verzerren und uns innerlich verrückt machen

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"Das Zeitalter des magischen Zerdenkens" ist das dritte Buch der amerikanischen Linguistin Amanda Montell. Schon in ihrem zweiten Buch, in dem es um Sekten und Kulte geht, hat sie sich intensiv mit den psychologischen Mechanismen beschäftigt, die dazu führen, dass wir scheinbar irrationale Entscheidungen treffen.

Dieses Buch führt diese Ideen nun fort, beschäftigt sich aber thematisch mit einer wesentlich größeren Bandbreite. Es beginnt damit, dass in den letzten Jahren die Häufigkeit psychischer Probleme enorm angestiegen ist, insbesondere unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen, und wie das damit zu tun haben könnte, dass wir - angespornt durch Social-Media-Algorithmen - unser Leben und die Welt immer mehr zerdenken.

Auf dieser Idee aufbauend geht es um verschiedene Alltagsphänomene, beispielsweise die vielen "Stans" (ein Kunstwort aus "Stalker" und "Fan", das auf Eminems gleichnamiges Lied zurückgeht), die eine regelrechte Besessenheit für ihre Idole, etwa Taylor Swift, aufbauen und diese glühend verehren, sich aber ebenso schnell und drastisch von diesen abwenden oder Shit-Storms starten können, wenn die unrealistische Projektion, die sie um ihr Idol aufgebaut haben, zusammenbricht. Weiters geht es um Themen wie toxische Beziehungen, Idealisierung der eigenen Eltern, Glaube an Verschwörungstheorien und so einiges mehr. Interessant ist, wie die Autorin jeweils bekannte psychologische Theorien mit ihren eigenen Gedanken zum Thema und ihren persönlichen Erlebnissen verbindet.

Wer gerne solche persönlichen Geschichten mag, der findet hier ein unterhaltsames Buch vor, in dem die Autorin nahbar und persönlich etwa von ihrer distanzierten und idealisierten Beziehung zu ihrer extrem leistungsstarken, aber nur selten Gefühle zeigenden Mutter erzählt, genauso wie von ihrer problematischen ersten Beziehung, aus der sie sich erst nach sieben Jahren lösen konnte, von ihren eigenen Selbstwertproblemen in Bezug auf ihr Äußeres oder ihren Schwierigkeiten beim Einstieg in den Arbeitsmarkt nach dem Studium.

Die Autorin ist selbst Jahrgang 1992 und damit am Anfang ihrer 30er. Darum geht es im Buch natürlicherweise hauptsächlich um die Themen, Interessen und Probleme junger Menschen, und es ist somit auch am besten für Lesende in diesem Alter geeignet. Nebenbei lernt man noch so einiges Interessantes über psychologische Theorien, die erklären, warum Menschen scheinbar irrationale Entscheidungen treffen.

Für ihr Buch hat die Autorin sorgfältig recherchiert und sowohl im Fließtext als auch im Quellenverzeichnis sind viele Details zu den entsprechenden Studien und Experimenten zu finden, sodass man sich bei Interesse leicht noch weiter in die eine oder andere Theorie vertiefen kann. Ein durchaus unterhaltsames und dabei lehrreiches Buch zur Alltagspsychologie, das ich insbesondere jenen Menschen empfehlen kann, die es sehr mögen, nicht nur theoretisch über psychologische Phänomene zu lesen, sondern diese eingebettet in eine konkrete Lebensgeschichte und verbunden mit den persönlichen Gedanken einer jungen Frau zu erleben.