das zerstörte Leben des Wes Trench

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elohym78 Avatar

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Wes Trench fährt tagein, tagaus mit seinem Vater Bob in den Bayou zum Fischen. Ein tristes Leben voller Arbeit und voller Armut.
Die Zwillinge Reginald und Victor Toup fahren auch täglich in den Bayou. Allerdings nicht zum Fischen, sondern um sich um ihre Drogenplantage zu kümmern. Diese beschert den beiden einen gewissen Reichtum und ermöglicht ihnen ein leichteres Leben als so manch anderem.
Lindquist zum Beispiel, der bei einem Unfall einen Arm verlor und dem seine Prothese gestohlen wurde. Auch er ist Fischer, sucht nebenbei aber nach einem Piratenschatz. Erst ein Hobby, beherrscht die Suche bald sein Denken völlig.
Unterschiedliche Leben die eins gemeinsam haben: Ein Leben in Barataria.

Neben dem Klapptext hat mich das wunderschöne und originell gestaltete Cover magisch zu dem Buch gezogen. Es wirkt wie ein altertümlicher Scherenschnitt des Bayou New Orleans; Natur pur. Das Leben des Sumpfes und seiner Bewohner steht im Vordergrund, setzt aber nicht auf wilde Farben, sondern einzig auf das Sein an sich, welches sogar in schwarz-weiß deutlich herauskommt.

Tom Cooper ist für mich ein wahrer Meister der Worte. Selten habe ich ein Buch gelesen, das nicht durch seine Handlung, sondern ausschließlich durch seine Charaktere lebt. Er hat ein perfektes Verhältnis zwischen Umgebung und den Personen geschaffen, so dass alles miteinander und untereinander agiert, lebt und eine intensive Harmonie eingeht. Der Bayou, also der menschenfeindliche Sumpf, die schier mörderische Hitze, die wilden Tiere und dazu noch die von Menschenhand geschaffene Umweltkatastrophe in Form einer Ölpest, alles Dinge, die mich eher davon abhalten würden, nach Barataria zu gehen, bzw. meine Beine in die Hand zu nehmen und die Flucht zu ergreifen. Allerdings sind die dort lebenden Menschen seit Generationen mit dem Land verbunden und wenn ich jemals auf der Suche nach einer Definition von Heimat war, Cooper erklärt es mir. Voller Wärme, voller Verständnis und ja, auch voller Liebe.

Normalerweise gibt es für mich einen Helden, einen Protagonisten, der mir besonders ans Herz gewachsen ist und mich an die Hand nimmt und durch das Buch geleitet. Doch hier ist es eigentlich kein Mensch, sondern, auch wenn mir das erst jetzt rückblickend bewusst wird, der Sumpf. Denn neben seiner ganzen Feindseligkeit, ist er auch wie ein Vater, der sich um seine Kinder kümmert, für sie sorgt und für die Mühe belohnt, aber er verlangt eben Einsatz und schenkt nichts her. Und wen er einmal als Familienmitglied akzeptiert hat, den lässt er nicht mehr los. Der Autor schildert dies so voller Gefühl, voller Intensität, dass ich es einfach nicht zur Seite legen konnte. Wunderschön!

Lindquist hat beim Fischen einen Arm durch einen Unfall verloren und jetzt wurde ihm seine Prothese gestohlen. Trotzdem fährt er, einarmig und mit einem ungebrochenen Willen sucht er nach seinem Piratenschatz. Ist es zu Beginn nur ein Hobby, verstrickt er sich immer tiefer in seinen Traum und jagt ihm nach, koste es, was es wolle, selbst wenn der Preis ein Menschenleben sein sollte. Ich fand es sehr traurig zu beobachten, wie der Lebenstraum nach und nach kippt und zu einem Alptraum wird.
Wes Trench hat bei dem Wirbelsturm Katrina seine Mutter verloren. Und seinen Vater auch, der den Tod seiner Frau nicht verkraftet. Er fährt zwar weiter zum Fischen und kümmert sich um seinen Sohn, aber seine Seele ist gestorben. Keine Atmosphere, in der ein Kind aufwachsen soll. Trotzdem bewundere ich Wes für seinen Kampfeswillen und wie er sein Leben in die Hand nimmt. Für mich macht er die größte und auch die interessanteste Entwicklung in dem Buch durch, an der ich teilhaben durfte. Vom verschüchterten und unsicheren Kind, hin zu einem bodenständigen Erwachsenen, der zwar immer noch auf der Suche ist, aber bei dem ich mir sicher bin, dass er seinen Lebensweg meistert.
Und dann sind da die Brüder Toup, die ihr Leben mit dem Drogenhandel finanzieren. Nach außen sind es harte Knochen, die auch nicht davor zurückschrecken, zu morden und ihren Willen mit brachialer Gewalt durchzusetzen. Und gleichzeitig haben sie zuhause Spitzendeckchen auf dem Tisch. Sie leben Familie und stehen für sich ein.

Mein Fazit
Es mag zwar noch etwas früh sein, aber dieses Buch hat wirklich das Potenzial mein Jahreshighlight zu werden!