Das zerstörte Leben...eigentlich aller

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aennie Avatar

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Der Roman „Das zerstörte Leben des Wes Trench“ erzählt die Geschichte einiger Personen aus dem kleinen Ort Jeanette. Jeanette liegt in Louisiana, an der Barataria Bay, im Herzen der Bayous. Die meisten Menschen leben dort seit Jahrzehnten von der Shrimp-Fischerei. Der Sumpf, das harte Leben am Existenzminimum und das Klima haben einen wortkargen, speziellen Charaktertypus erschaffen, so scheint es. Die Geschichte des Romans ist angesiedelt im Jahr 2010 und zu Grunde gelegt werden zwei Ereignisse, die tatsächlich so stattgefunden haben. Zum Einen handelt es sich dabei um den Hurrikan Katrina, der im Jahr 2005 verheerende Verwüstungen vor allem im südlichen Louisiana angerichtet hat und zum anderen die Ölkatastrophe auf der BP-Ölplattform Deepwater Horizon, wo es im Jahr 2010 zu mehreren Blow-Outs kam und damit zur schlimmsten Ölkatastrophe im Golf von Mexiko. Diese beiden Ereignisse bestimmen das grundsätzliche Stimmungsbild des Romans und zumindest einem Großteil der handelnden Personen.
Inhalt: Episodenartig wird aus dem Leben mehrerer Personen aus Jeanette, oder die sich derzeit in Jeanette aufhalten berichtet. Dies sind Wes Trench und sein Vater Bob, die ihren Lebensunterhalt als Shrimpfischer verdienen. Gleiches tut auch Gus Lindquist, dem nach einem Unfall ein Arm fehlt und dessen großer Traum es ist, den legendären Piratenschatz des Jean Lafitte zu heben, den dieser in den Baratarias versteckt haben soll. Die Toup-Zwillinge Victor und Reginald, man möchte sagen, die Tunichtgute des Ortes besitzen in den Bayous eine Marihuana-Plantage und sind bemüht, alle Schatzsucher und Fischer möglichst fern von ihrem Gelände zu halten. Brady Grimes, stammt aus Jeanette und ist tätig für BP. Ausgerechnet er wurde in seine Heimat zurückgeschickt, um für die Ölgesellschaft Ausgleichszahlungen mit den geschädigten Anwohnern auszuhandeln. Weitere Hauptcharaktere sind Nate Cosgrove, Dachdecker aus Texas und im Prinzip nur aus Versehen nach einer Beerdigung in Louisiana hängen geblieben und John Hanson, die sich beim gemeinsamen Ableisten von Sozialstunden kennenlernen. All diese Charaktere treffen im Sommer 2010 durch ihre parallelen und widerstreitenden Tätigkeiten in Jeanette irgendwann aufeinander. Interessen kollidieren, Unfälle geschehen und nicht für alle wird es Herbst. Mehr möchte ich zum Inhalt nicht sagen, dafür ist die Geschichte an sich zu interessant zu lesen, als das man hier noch mehr vorweg nehmen sollte.
Fazit: Der Roman hat mir sehr gut gefallen. Es fällt mir jedoch allen Ernstes schwer, Wes Trench als Haupt-Protagonist auszumachen. Sein Leben ist nicht zerstörter als das der anderen Personen, von denen jeder einzelne meiner Meinung nach vielleicht eher im Titel hätte auftauchen können: Bob Trench – hat eine folgenschwere, falsche Entscheidung getroffen. Lindquist – hat nur einen Arm, tablettenabhängig, besessen von der Schatzsuche, verlassen. Die Toups – schwere Kindheit, kriminell. Brady Grimes – ist genötigt, alten Nachbarn und sogar seiner Mutter wider besseren Wissens Vergleiche aufzuschwatzen. Nate Cosgrove – labil, beeinflussbar und dadurch tief im Schlamassel etc etc.
Ganz im Gegenteil, ist Wes Trench vielleicht derjenige, der am ehesten zukunftsträchtig ist. Oder genau das ist das Drama, er hat Hoffnung, und doch ist alles schon prädestiniert. Er ist in den Baratarias, er bleibt dort. Er hat kein besseres Leben vor sich als alle anderen vor ihm… Diese Deutung bleibt offen.
Absolute Leseempfehlung, ein tolles Buch. Angenehmer Erzählstil, klar und schnörkellos.