Die fragile Symbiose von Mensch und Natur

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ismaela Avatar

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Bevor ich mich näher mit der Geschichte dieses Romans befasse, muss ich erst noch ein paar Worte zum Titel dieses Buches loswerden. Ich frage mich nämlich manchmal schon, was sich Übersetzer so denken, wenn sie sich einen passenden Titel überlegen, oder ob dieser hier vom Verlag gewünscht worden ist.
Im vorliegenden Buch geht es nämlich nicht nur um Wes Trench, sondern um eine ganze Gruppe Menschen, deren Leben jeweils auf die eine oder andere Weise zerstört worden ist. Zum großen Teil schon bevor Katrina dann dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt hat. Deshalb passt auch der Originaltitel "The Marauders" wie die Faust aufs Auge, denn ein "marauder" ist jemand, der plündert oder sammelt, und das tun im Prinzip alle, die in Coopers Roman auftauchen.

Da wäre zum einen die tragische Gestalt des Shrimpfischers Lindquist, der durch einen Boots-/Arbeitsunfall seinen Arm verloren hat, und ums Überleben kämpft. Durch den Hurrikan Katrina und die Ölpest werden Meeresfrüchte von den lokalen Restaurants und Einheimischen nicht mehr gekauft, zudem ist Lindquist tablettenabhängig, seit ihn seine Frau verlassen hat und seine Tochter immer mehr in dubiose Kreise abrutscht. Seit Jahren ist er besessen vom Piraten Laffitte, der in den Baratarias seine Schätze vergraben haben soll, und Lindquist sucht unermüdlich nach diesen, um seine Geldsorgen loszuwerden.

Dabei gerät er den Zwillingsbrüdern Toup in die Quere, zwei richtig üble Kotzbrocken, die auf einer Insel in den Bajous eine Hanfplantage aufgebaut haben und jeden, der ihnen und ihrem "Geheimniss" zu nahe kommt, kalt machen. Eigentlich will Lindquist überhaupt nichts von ihnen, doch durch eine Reihe Vorfälle gelangen die degenerierten Brüder zu falschen Schlüssen und machen dem einarmigen Fischer das Leben schwer.

Richtige Schwierigkeiten machen den Brüdern Toup dann aber zwei andere Gestalten: Hanson und Cosgrove, zwei kleine Gauner, die sich beim Ableisten von gemeinnütziger Arbeit kennenlernen und danach versuchen, sich durchzumogeln, nachdem sie vorher bereits eine alte Frau um einen Großteil ihrer Habe gebracht haben (plündern!), um diesen zu Geld zu machen. Als sie Wind von der Hanfplantage der Toup-Zwillinge bekommen und beginnen, sie verbotenerweise zu "ernten" ist natürlich klar, dass das auf die Dauer nicht gutgeht.

Und Wes Trench? Wes hat durch den Hurrikan Katrina seine Mutter verloren, die in den Fluten ertrunken ist, weil sich sein Vater geweigert hat, ihr Haus zu verlassen. Diese Fehlentscheidung hängt Wes' Vater verständlicherweise immer noch nach, deshalb ist er kein einfacher Charakter. Er fährt zusammen mit Wes zum Shrimpfischen, doch durch die schlechte Lage sind auch die beiden kaum in der Lage, für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Nach einem Streit schmeißt Wes alles hin und heuert bei Lindquist an. Doch auch diese Verbindung hält nicht lange und Wes muss sich erneut umorientieren.

Und zu guter Letzt lernen wir noch Grimes kennen, einen Mitarbeiter der British Petroleum, der von seiner Firma ausgesandt wird, um die Einwohner von Barataria mit einem Taschengeld abzuspeisen, um so millionen- oder sogar milliardenschwerden Entschädigungszahlungen auszuweichen. Da Grimes ebenfalls in dieser Gegend aufgewachsen ist - seine Mutter wohnt immer noch in der Stadt - glauben seine Vorgesetzten, er könne die Leute am ehesten dazu bewegen, ihre Unterschrift für einen 10.000 Dollar Scheck herzugeben. Viele tun dies auch, weil sie irgendwann aufgeben, aber einige, darunter Mr. Trench, aber auch Lindquist machen Anfangs noch Schwierigkeiten.

Alles in allem ist "Das zerstörte Leben des Wes Trench" ein wunderschöner Schmökerroman, aber auch eine Fabel über die Symbiose zwischen Umwelt und Mensch, und wie dramatisch diese scheitert, wenn eine Katastrophe wie die hier geschilderte Ölpest über sie hereinbricht. Tom Cooper versteht es meisterhaft, die teilweise tragikomischen Ausweglosigkeiten einzelner Menschen zu beschreiben, die alle auf ihre Art versuchen, zu überleben. Vor allem Lindquist ist eine Figur, mit der ich großes Mitleid hatte. Alles was er möchte ist, sein Leben nochmal von vorne beginnen zu können, scheitert aber immer und immer wieder. Manchmal ist die Hoffnungslosigkeit in diesem Buch mit Händen zu greifen.

Aber: es geht trotz allem immer irgendwie weiter, und da macht auch dieses Buch keine Ausnahme. Langsam aber sicher rappeln sich die Menschen nach der Katastrophe wieder auf, das Leben geht weiter, man arrangiert sich mit den Gegebenheiten. Und irgendwann erscheint auch wieder ein Silberstreif am Horizont.

Ein tolles Buch! Lesenswert!