Kein zerstörtes Leben

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miss marple 64 Avatar

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Eins gleich voran: Der deutsche Titel des Romans wird dem Buch in meinen Augen nicht gerecht. Sicherlich erlebt der junge Wes Trench viele Schicksalsschläge, nach denen man sagen könnte, sein Leben sei zerstört, aber das Ende des Buches belehrt den Leser eines Besseren- drückt es doch so viel Lebenswillen und Zuversicht in die Zukunft aus.
Doch nun der Reihe nach.
Tom Cooper reiht in seinem Roman die Lebensschicksale verschiedener Menschen wie Perlen an einer Kette aneinander, verbunden immer durch den Überlebenskampf in Jeanette, einem kleinen Ort in der Nähe New Orleans, Louisiana. Immer wieder heimgesucht von Hurrikans, schlägt auch hier der furchtbare Sturm Katrina tiefe Schneisen in die Lebenswege der Romanfiguren. Die Auswirkungen des bereits Jahre zurückliegenden Sturms sind überall zu spüren: So trauert der junge Wes immer noch um seine Mutter, die während des Hurrikans umgekommen ist. Dieses Erlebnis steht auch zwischen ihm und seinem Vater, der indirekt eine Schuld daran trägt.
Die Fischer des Ortes haben mit den Folgen des Sturms und einer Ölpest zu kämpfen und verlieren immer mehr
ihrer Shrimp-Fanggründe. So auch Wes‘ Vater, der mit seinem Boot versucht, den Lebensunterhalt zu verdienen.
Die Zwillingsbrüder Toup verdingen sich als Drogendealer und bauen heimlich Marihuana auf einer Insel an.
Grimes- ein Mitarbeiter der britischen Ölgesellschaft BP- versucht die Bewohner zu einem Vergleich zu überreden und bietet Entschädigungen an. Er muss Unterschriften sammeln, um befördert zu werden.
Der einarmige Lindquist ist eine Art Schatzjäger, der sich nicht nur Freunde macht, seit er seit Jahren mit einem Metalldetektor über das Land zieht und auf den kleinen Inseln nach Wertgegenständen oder Gold sucht. Haben die Überschwemmungen in Folge des Hurrikans genügend Hinterlassenschaften zurückgelassen- mal ist auch eine wertvollere Uhr darunter- hofft er bis zum Schluss auf einen großen Fund- ein Erbe aus Piratenzeiten.
Und noch zwei weitere Figuren hat der Autor für den Leser- Cosgrove und Hanson. Beide könnte man als „Strandgut“ der Gesellschaft bezeichnen, nach kleineren Vergehen müssen sie gemeinsam gemeinnützige Stunden absolvieren und ziehen durch Diebstahl ihren Nutzen daraus. Bald wittern sie durch Marihuana das große Geschäft, wären da nicht die Brüder Toup, die ihren Weg kreuzen.
So verweben sich die Lebenswege der Figuren miteinander. Dem Autor gelingt es hierbei sehr gut, die einzelnen Figuren in ihren Charakteren zu zeichnen:
Den 18-jährigen Wess, der sich immer mehr vom Vater befreit und auf eigenen Beinen stehen möchte.
Den Vater, der an seiner Schuld, für den Tod der Frau mit verantwortlich zu sein, schwer trägt und auch am wirtschaftlichen Ruin.
Den karriereversessenen Grimes, der vor Jahren die Heimat verlassen hat, der Heimweh nach den großen Städten hat und der nur kurz davorsteht, auch seiner totkranken Mutter die erforderliche Unterschrift für einen Vergleich mit der Ölgesellschaft zu entlocken.
Den einarmigen Lindquist, dem die Brüder Toup seine teure Armprothese aus Rache gestohlen haben. Er begibt sich in große Gefahr für seine Überzeugung, auf einen Schatz zu stoßen. Sein Schicksal bleibt offen und man wünscht sich als Leser an dieser Stelle, dass das Buch noch nicht zu Ende sei.
Hanson, der durch Gier sein Leben verwirkt und Cosgrove, dem es am Ende gelingt, sich auf einen neuen Weg zu machen.
Der Autor zeigt nur einen kurzen Ausschnitt aus dem Leben dieser Menschen, die da im Süden der USA am Golf von Mexiko versuchen, jeder auf seine Art und Weise zu überleben und einen Platz im Leben zu finden.
Die hoffnungsvollste Figur ist Wes, der am Ende überlegt, ob er diesen Ort verlassen soll oder nicht.
„Wes spürte hier den Sog der Zukunft. Vielleicht war es auch die Schwerkraft der Vergangenheit. Vielleicht auch beides. Was auch immer es war, aber immer öfter hatte er das Gefühl, die Barataria sei die Gegend, in die er gehörte.“