Zerstörte Leben

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Für die Medienöffentlichkeit sind es meist nur mehr oder weniger lange fesselnde Nachrichten, Aufreger, „Jetzt muss aber endlich mal was passieren!“, im besten Fall Grund für eine bald abebbende Welle des Mitgefühls und der Spendenbereitschaft: die weltweiten Katastrophen, seien es Erdbeben, Tsunamis, Wirbelstürme, Flugzeugabstürze oder andere Menschenleben und Existenzen vernichtenden Ereignisse.
Oft sind sie vom Menschen zumindest mit verursacht oder wurden die Warnzeichen lange Zeit beharrlich ignoriert.
Trotzdem erschüttern sie kurz die Welt bis in ihr Innerstes, um dann aber alsbald im Nachrichtendschungel zu verschwinden und vergessen zu werden.
Für die Betroffenen ist dies nicht so leicht möglich. Sie leiden noch Jahre und Jahrzehnte unter den Auswirkungen.

So wie die Bewohner der Barataria Bay, einer Insel- und Sumpflandschaft südlich von New Orleans, die nicht nur durch den verheerenden Wirbelsturm Katrina stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, sondern nur fünf Jahre später durch die brennende Plattform Deepwater Horizon eine gigantische Ölpest erlebte.
Für viele Fischer, die hier vor allem die begehrten Shrimps fangen, eine Bedrohung ihrer Existenzgrundlagen.

Führten die „Sumpfratten“, wie die Bevölkerung vom Rest des Landes mitunter abschätzig genannt werden, doch eh schon ein hartes Leben. Die Hitze ist mörderisch, Insekten, allerlei krabbelndes Getier und die ständige Feuchtigkeit, dazu schlechte Infrastruktur und eine alles beherrschende Aussichts- und Ausweglosigkeit.
Kein sehr lebensfreundlicher Ort.

Hier lebt der junge Wes Trench, dessen Mutter ihr Leben im Wirbelsturm verlor, mit seinem knurrigen Vater vom Shrimpsfang. Lieber wäre er noch länger aufs College gegangen, vielleicht auf die Universität, aber dafür ist kein Geld da.
Nun träumt er von einem eigenen Boot, zumal die Spannungen mit seinem Vater, dem er die Schuld am Tod der Mutter gibt, ins Unerträgliche wachsen.
Wes ist eine der Hauptfiguren des Romans, allesamt männlich, die Frauen spielen hier nur eine Nebenrolle. Und er ist noch nicht einmal die unglücklichste, sondern derjenige mit den größten Hoffnungen.

Deshalb verwundert einmal mehr der deutsche Titel, im Original heißt das Buch schlicht „The marauders“.

Neben Wes und seinem Vater lernen wir Lindquist kennen, einen Fischer, der aber seine Zeit lieber auf Schatzsuche verbringt und dem seit einem Arbeitsunfall ein Arm fehlt.
Die teure Prothese wurde ihm von den Brüdern Toup gestohlen, die im großen Stil Marihuana anbauen, völlig skrupellos sind und Lindquist im Verdacht haben, ihre geheime Plantage im Gewirr der Inseln entdeckt zu haben.
Dabei ist es das Kleinkriminellenpärchen Cosgrove und Hanson, die hier ihr großes Geschäft wittern.
Als letzten der Protagonist, die wir in den ständig die Perspektive wechselnden Kapiteln kennenlernen, ist Grimes, ein Abgesandter der Ölfirma, die mit den Anwohnern Abfindungszahlungen vereinbaren will, damit teurere Klagen verhindert werden. Grimes hat seine Kindheit und Jugend hier verbracht und seine Mutter lebt noch hier.

Mit all diesen Figuren verleben wir nun hier in der Barataria Bay die Tage und gelangen bald in eine äußerst spannende Handlung rund um den illegalen Marihuana-Anbau der Toup-Brüder.

Tom Cooper vermag es hervorragend, die schwüle, lebensfeindliche Schönheit der Sumpflandschaft zu schildern. Die Figuren sind zwar relativ Schwarz-Weiß gehalten, sie verkörpern die ihnen zugewiesenen Rollen zuverlässig bis zum Ende, aber sie sind zum Glück interessant genug, um das zu verzeihen.
Die Sprache ist klar und direkt, oft humorvoll und mit prägnanten Dialogen, das Ende ein wenig zu sehr Happy-End, aber auch das darf ein Roman, der insgesamt sehr gut und spannend unterhalten hat.

Johannes Staeck liest sehr szenisch und gibt allen Figuren ganz eigene Stimmen. Mir war das manchmal etwas zu viel des Guten, eine etwas zurückgenommenere Lesung hätte mir besser gefallen.