Anregend, bisweilen mühsam

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
lex Avatar

Von

An diesem 150 Seiten dünnen Buch habe ich lange gelesen. Emanuele Coccia nähert sich philosophisch dem Begriff "Zuhause". Inhaltlich wendet er sich strukturellen, materiellen Aspekten ebenso zu wie dem Psychologisch-Mentalen. Er zoomt heran und wieder heraus, betrachtet die Bedeutung des Zuhauses (samt Räumlichkeiten) für den Einzelnen und das Zuhause im Kontext von Zeit, Gesellschaftstrukturen, klimatischen und technischen Veränderungen. Gelegentlich schweift er zu persönlichen Erlebnissen ab.

Zeitlich könnte dieses Buch - nach mehr als zwei Jahren Corona und mehreren Lockdowns, während derer wir alle mehr oder weniger an unser Zuhause gebunden waren - zu keinem besseren Zeitpunkt erscheinen. Der Autor hatte es aber wohl schon vor Corona geplant. Vereint werden viele interessante Gedanken. Bewohnen wir einen Raum, oder vielmehr Dinge? Ist das Individuum ohne Umgebung denkbar? Nein.

Coccia bedient sich dabei keiner leichten Sprache. Er schreibt anspruchsvoll, nicht selten verschachtelt-unübersichtlich, oft blumig, nahezu lyrisch. Einige Absätze las ich mehrfach, bis ich sie ganz in ihrem Sinn durchdrungen hatte.

Da die Philosophie keine eindeutigen Antworten liefert, sondern ein persönliches Streben nach Erkenntnis darstellt, muss ich mit dem Autor nicht einer Meinung sein. Allerdings möchte ich seine Gedankengänge gerne nachvollziehen können, was mir im Wechsel zwischen Detail- und Vogelperspektive nicht immer gelang. Auch waren mir einige Schlussfolgerungen zu abstrakt-utopisierend. Etwa, wenn der Autor ersinnt, das Zuhause müsse eine "kulturelle Mischmaschine werden, in der Klassen, Identitäten, Völker und Kulturen miteinander verschmelzen". Eine schöne Idee. Aber die Realität sieht doch oft anders aus.

Fazit: Coccia philosophiert über Begriffe wie Zuhause, Heimat und Welt und regt zum Nachdenken an. Sprachlich liest sich dieses Buch anspruchsvoll, manchmal mühsam, stellenweise fast prätentios. Für mich war es durchaus interessant, vielfach aber auch zu abstrakt.