Eine Dystopie, die zu sehr im "Davor" festhängt

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throughmistymarches Avatar

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Ich liebe dystopische Romane, habe meine Masterarbeit darüber geschrieben – auf Wunsch meines Dozenten mit Fokus auf Young Adult Dystopia, weshalb ich Reihe um Reihe dystopischer Kinder- und Jugendbücher gelesen habe. Entsprechend gespannt war ich auf „Davor und Danach“, denn hier sollen hochaktuell Klimawandel, Überbevölkerung und Flucht im Mittelpunkt der Erzählung, die die 14jährige Mhairi auf ihrem Weg vom Sudan nach Schottland begleitet, stehen. Leider wurden meine Erwartungen ziemlich enttäuscht. Autorin Nicky Singer begnügt sich damit, fast schon lieblos die ein oder andere Hightech-Erfindung einzuwerfen; dazu werden oberflächlich ein paar neue Gesetzgebungen erwähnt; Flucht sowie Fluchtursachen werden wenn überhaupt nur angerissen und sind in ihrer Darstellung sehr stereotypisch. Damit soll scheinbar das gesamte dystopische world-building, die politische und gesellschaftliche Situation abgedeckt sein. Schade, denn gerade das hätte den Roman ausmachen können, aber Mhairi hängt in ihrer Reflexion viel zu sehr im „Davor“, also mehr oder weniger der Welt des Lesers. Dass das Mädchen als unbegleitete minderjährige Flüchtige in vieler Hinsicht reifer ist als andere 14jährige ist klar, allerdings fehlen mir kindliche Charakterzüge komplett. Vor allem die Art, wie sie Schottland, das sie vor fast 7 Jahren als Kind verlassen hat, wahrnimmt, gleicht der Wahrnehmung eines Erwachsen. Zugegeben, das ist leider ein häufiges Problem dystopischer Jugendromane. Grundsätzlich ist „Davor und Danach“ stilistisch betrachtet ein kleines Durcheinander, das mit zu vielen narrativen Methoden spielt, statt sich mehr dem Inhalt zu widmen. Viel zu dick aufgetragen war vor allem das letzte Drittel des Romans, in dem plötzlich noch ein Loveinterest auftaucht, die Oma als „Politikerin“ zur Antagonistin wird und Mhairi – wie so viele Dystopia-Heldinnen – ihre altruistische Seite entdeckt. Dabei gehen vereinzelte berührende Momente, die oder andere Metapher mit toller Message leider komplett unter. Das ist wirklich sehr schade, denn man hätte viel mehr machen können aus diesem Roman. (Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass es keine Trilogie wird).