Hochaktuelle Flüchtlingsgeschichte

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Schritt für Schritt führt die junge Heldin Mhairi, in Schottland geboren und dorthin zurückkehrend, den Leser in das Leben ein, das sie im Sudan hinter sich hat. Dort hat sie bereits Schreckliches erlebt, dort wurden ihre Eltern getötet. Nicht nur physisch, auch psychisch ist sie bereits stark geschädigt und traumatisiert. Indem das Mädchen in Gedanken oft bei ihren toten Eltern sein kann, sich direkt an sie wendet, sind diese ihr immer noch eine grosse und notwendige seelische Stütze.
Als dann der stumme Junge, Mo, auftaucht und ihre Hilfe benötigt, hat sie eigentlich keine übrige Kraft mehr, um sich auch noch um ihn zu kümmern. Mhairi muss einerseits vieles in ihre innere Festung zurückdrängen, damit sie durch diesen Schutzpanzer überleben kann. Andrerseits sollte sie folgenschwere Entscheidungen treffen, für die sie eigentlich noch zu jung ist. Dazu kommt noch die Enttäuschung, die sie in Schottland erwartet. Dort möchte sie nämlich auf die Insel Arran gelangen, zu ihrer Grossmutter.
Der Schreibstil trägt dem psychischen Zustand des Mädchens Rechnung. Genauso wie der Weg der Flüchtlinge vom Sudan in den Norden, kann der Text naturgemäss kein ruhig dahinfliessender Erzählstrom sein. Er ist manchmal hart, teils holprig und kurvenreich. Die metaphernreiche Sprache vertieft die Bilder, die in der Fantasie des Lesers entstehen.
Auch wenn hier eine Zukunftsvision gezeichnet wird, ist die Situation sehr ernst zu nehmen. Es könnte durchaus sein, dass sich Europa gegenwärtig erst am Anfang der grossen Flüchtlingsströme befindet.
Diese Geschichte öffnet die Augen über unseren verschwenderischen Umgang mit den Ressourcen, den damit verbundenen universellen Klimawandel und wie sehr Menschen anderer Erdteile unverschuldet darunter leiden, ja um ihre Existenz kämpfen müssen. Auf das Danach wird nicht so gross eingegangen, aber das ist auch nicht nötig, weil leicht vorstellbar.
Sehr ansprechend das (rundum!) gestaltete Äussere, wobei der Aufdruck am Buchschnitt dem Titel Rechnung trägt. Vermutlich wird diese Ungewöhnlichkeit gerade bei den Jugendlichen besonders geschätzt werden.
Das Buch zeigt unter anderem die vielfach unbekannte Perspektive der Flüchtlingsströme auf, die verheissungsvolle, ersehnte, erhoffte, aber auch die enttäuschende Seite. "Davor und danach" sollte Pflichtlektüre für Oberstufenschüler sein.