Wenn die Belastbarkeit der Erde überschritten ist, welcher Typ Mensch willst du dann sein?

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kianu Avatar

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Globale Erderwärmung und Klimawandel – spätestens seit sich Hurrikane, sengende Sommerhitze und milde Winter häufen, sind diese beiden Worte in aller Munde. Und auch die Prognosen für unsere Zukunft klingen nicht weniger bedrohlich: Wüsten breiten sich aus, Gletscher schmelzen und ganze Landstriche werden überflutet. 
Eine Realität, die vielleicht noch einige leugnen, aber bereits jetzt spürbar ist und nur Angst macht. 
Kein Wunder also, das genau diese Szenarien wie geschaffen für dystopische Romane sind.

Auch Nicky Singer beschreibt in ihrem aktuellen Buch Davor und Danach eine ähnliche Schreckensvision, in der sich das Klima so verändert hat, dass ein Überleben nur noch auf der nördlichen Erdhalbkugel möglich ist. Hunderttausende Menschen flüchten deshalb in diese Regionen, die wiederum aufgrund der nun vorherrschenden Überbevölkerung aus allen Nähten platzen. Auffanglager, die ehr an Konzentrationslager aus Zeiten des Nationalsozialismus erinnern, wurden errichtet und Gesetzte, die die Altersgrenze auf 74 Jahre herabsetzen, verabschiedet. Somit wird jeder, der diesen Lebensabschnitt erreicht hat, durch eine Spritze hingerichtet. Allgemeine Gesetzesverstöße werden mit Lebensjahren geahndet.
Und in dieser Welt kämpft auch die 14 jährige Vollwaise Mhairi ums Überleben. 
Völlig auf sich allein gestellt, begleiten wir sie auf ihrer Flucht vom Sudan in den Norden, zur Insel Arran in Schottland, wo auch ihre Großmutter lebt. 
Seit mehr als einem Jahr ist sie mit Beginn der Geschichte bereits unterwegs gewesen und immer wieder auf andere Flüchtlinge gestoßen, denen sie aber mit großem Misstrauen aus dem Weg geht, denn Raubüberfälle und Lebensmitteldiebstahl gehören längst zur Tagesordnung – Vertrauen kann man niemandem mehr. Bis zu dem Tag, als sie durch eine Verkettung tragischer Umstände auf einen stummen, namenlosen Jungen trifft, für den sie eine Art Verantwortung verspürt und auch langsam übernimmt. Mhairi gibt ihm den Namen Mo und boxt sich von nun an gemeinsam mit ihm nach Schottland durch.

Ich muss zugeben, dass ich zu Beginn meine Schwierigkeiten hatte mit der Geschichte und dem Schreibstil von Nicky Singer warm zu werden. Die Sätze wirkten abgehackt und ungewohnt kurz und auch die Kapitel zogen sich nie länger als über fünf bis sechs Seiten. Doch mit der Zeit gewöhnt ich mich an diesen Umstand, wurde immer tiefer in die Welt von Mhairi einsogen, erschüttert und berührt. Dem Schrecken, dem sie bereits in so jungen Jahren ausgesetzt war ergriff mich so abrupt, dass ich das Buch nur schwer zur Seite legen konnte. Sie ist ein toughes, wahnsinnig selbstständiges Mädchen, das leider viel zu schnell erwachsen werden musste, um zu überleben. Sie musste töten, stehlen und lügen und die Konsequenz unserer Untätigkeit in Bezug auf den Umweltschutz tragen. 
Für Mo hingegen fällt es mir schwerer die richtigen Worte zu finden. Trotz seines Schweigens hat er mich förmlich angeschrien, ihn einfach nur in den Arm zu nehmen und ihm zu sagen, dass alles gut wird. Doch genau das brauchte er eigentlich gar nicht. Trotz seiner beschrieben ausgehungerten, kleinen Gestalt, besitzt er eine Stärke, die bewundernswert ist. Er heitert Mhairi an den richtigen Stellen auf, kämpft und zeigt eine Güte, die einem das Herz erwärmt.

Was ich jedoch etwas schade fand war, dass das große Thema Klimawandel zwar angerissen, aber doch ehr wenig beleuchtet wurde. Ich hätte gerne etwas mehr Hintergrundwissen bekommen, wie es denn letztendlich dazu kam, welche Auswirkungen es auf den Rest der Welt hatte und wie andere Länder politisch darauf reagiert haben. 
Aber vielleicht war gerade das auch gar nicht gewollt, denn so fällt das Hauptaugenmerk auf die Menschen und deren Menschlichkeit selbst - denn unsere Spezies kann grausam sein, wenn es ums nackte Überleben geht. 
Und wie so viele Endzeit-Romane, hat auch diese Geschichte kein Happy End. Wie im wirklichen Leben wird nicht immer alles gut. Oft kommt es einfach nur darauf an, wer mit einem geht und wer an deiner Seite bleibt. Und auch wenn dabei nicht viel gesprochen wird, gibt es doch unendlich viel zu sagen.